
Zeitungen bauen Brücken |
28.01.2015 |
Vorlesestunden fördern den intergenerativen Dialog
„Zeitungen bauen Brücken“ – das sind Begegnungen zwischen Generationen, bei denen es um Austausch und Lesefreude geht. Seit 2011 initiiert die Stiftung Lesen, mit Unterstützung der Verlagsgruppe Rhein Main Stiftung, Begegnungen zwischen Jugendlichen und Seniorinnen und Senioren im Rhein-Main-Gebiet. Die bisherigen Erfolge – u. a. eine gestiegene Lesemotivation und Sozialkompetenz bei den Jugendlichen – haben dazu geführt, dass „Zeitungen bauen Brücken“ im Schuljahr 2014/15 ausgebaut wird und weitere Einrichtungen wie z. B. Schulen und Seniorenheime sich am Projekt beteiligen können. „Zeitungen bauen Brücken“ richtet sich an Jugendliche ab ca. 11 Jahren, d. h. an Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen sowie an Seniorinnen und Senioren.
Projektidee
Was verbindet heute die verschiedenen Generationen? Es ist nicht mehr die Regel, dass Kinder und Jugendliche ihre Großeltern häufig sehen oder sogar mit ihnen zusammenleben. Und insgesamt wird unsere Gesellschaft älter: Die Geburtenraten sind in Deutschland seit vielen Jahren niedrig, und das Durchschnittsalter ist in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen. Dies stellt unsere Gesellschaft vor die Aufgabe, auch in Zukunft ein harmonisches Zusammenleben verschiedener Lebensalter zu gewährleisten. Gegenseitiger Respekt und Toleranz sind dabei wichtig. Nur wie erreicht man das, und wie bereitet man jüngere und auch ältere Generationen auf diese Aufgaben vor?
Medien wie z. B. Bücher und Zeitungen können eine wichtige Rolle dabei spielen, verschiedene Generationen in Austausch miteinander zu bringen. „Zeitungen bauen Brücken“ setzt bei gemeinsamen Vorlesestunden an. Diese sind ein idealer und einfacher Einstieg, mit denen sich Gespräche und auch Bekanntschaften herstellen lassen. Darauf aufbauend sind für die intergenerativen Netzwerke, die durch „Zeitungen bauen Brücken“ geknüpft werden, viele verschiedene gemeinsame Aktivitäten möglich: Sie reichen von Spielenachmittagen über Ausflüge bis hin zu medienpraktischen Projekten wie z. B. der Erstellung eines Kurzfilms über die Begegnungen.
Umsetzung
Durch spezielle Workshops und didaktische Materialien der Stiftung Lesen zum Vorlesen mit älteren Menschen wird bei den Jugendlichen die Grundlage dafür gelegt, dass sie auf die Ausgangsbedingungen z. B. in einem Seniorenheim praktisch und gut vorbereitet sind. Auch sich dabei stellende wichtige, manchmal auch schwierige Themen werden in den Workshops behandelt, so z. B. der Umgang mit Demenz. Im Anschluss an den Einstiegs-Workshop treffen sich die intergenerativen Gruppen regelmäßig, den Inhalt und die Regelmäßigkeit ihrer Begegnungen bestimmen sie dabei selbst. Da viele ältere Menschen nicht mehr so mobil sind oder in einem Seniorenheim leben, bieten sich in vielen Fällen Seniorenheime als Schauplatz der Begegnungen an. Daneben gibt es jedoch eine Vielzahl weiterer geeigneter Orte, an denen verschiedene Generationen zusammenkommen können bzw. dies teilweise sowieso bereits tun. Dazu zählen z. B. Mehrgenerationenhäuser, Bibliotheken oder auch Kirchen und andere religiöse Einrichtungen.
Eine ebenfalls von der Stiftung Lesen ausgesuchte und zur Verfügung gestellte Sammlung geeigneter Bücher und anderer Medien ist eine weitere wichtige Ausgangsbasis für die Jugendlichen, um geeignete Texte zum Vorlesen oder auch zum Diskutieren auszuwählen. Darunter sind z. B. Vorlesegeschichten, Sachbücher über den Alltag in früheren Zeiten, Gedichtbände und natürlich auch Humoristisches. Auch Tageszeitungen spielen eine wichtige Rolle bei den Begegnungen: Sie sind für beide Generationen wichtig, um über gesellschaftliche und politische Ereignisse informiert zu sein und ihre Meinungen zu verschiedenen Themen auszutauschen, von der lokalen Ebene bis hin zu internationalen Fragen. Die Medienauswahl enthält zusätzlich auch Filme, die das Verhältnis der Generationen auf eine unterhaltsame und anregende Weise thematisieren, so z. B. „Sein letztes Rennen“ mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle des Paul Averhoff, der in hohem Alter auf ein letztes großes Ziel hinzuarbeiten beginnt: Noch einmal den Berlin-Marathon zu laufen. Auch die Einbindung digitaler Medien ist selbstverständlich möglich und ein weiterer interessanter Aspekt des Projekts – ältere Menschen können z. B. im Umgang mit Tablet-PCs oder E-Book-Readern viel von Jugendlichen lernen.
Praxisbeispiel: Ein intergenerativer Poetry Slam mit Lars Ruppel
Besonders aktiv bei „Zeitungen bauen Brücken“ ist die seit drei Jahren bestehende Kooperation zwischen der IGS Mainz-Hechtsheim und dem ProSeniore-Heim auf der Frankenhöhe in Mainz. Auf Basis der Vorlese-Workshops der Stiftung Lesen hat sich im Rahmen einer schulischen AG ein fester Kreis von ca. 20 Schülerinnen und Schülern gefunden, die in kleinen Gruppen einmal im Monat zum Vorlesen in das ProSeniore-Heim kommen.
Diese intergenerative Gruppe erhielt im Frühjahr 2014 noch einmal neue und sehr anregende Impulse: Der in Berlin lebende Poetry Slammer Lars Ruppel, u. a. durch sein „Weckworte“-Projekt bundesweit bekannt geworden, kam für einen Workshop in das ProSeniore-Heim nach Mainz. Dieser wurde ein voller Erfolg: Mittels Rezitieren ausgewählter Gedichte löste Lars Ruppel einen fröhlichen und frei von Berührungsängsten erfolgenden Umgang von Schülern und Senioren aus.
Ruppel führt mitreißend durch ein Programm, welches in beeindruckender Weise funktioniert: Jugendliche entdecken die Kraft und Schönheit von Lyrik und werden nebenbei für den Umgang mit Senioren sensibilisiert. Ältere Menschen „tauen“ schon nach wenigen Minuten spürbar auf und zeigen auch für Pflegepersonal ungeahnte Reaktionen und Erinnerungen. Neben dem gemeinsamen Spaß nehmen alle viel dabei mit – den Schülerinnen und Schülern der IGS Mainz-Hechtsheim merkt man ihre sozialen Kompetenzen im Umgang mit älteren Menschen deutlich an. Und auch das Lesen und sogar die Lyrik sind auf diese Weise wieder richtig „in“.
Weitere Informationen unter http://larsruppel.de/?page_id=3
Die Stiftung Lesen sieht einen großen Bedarf in Programmen, die gleichzeitig das Lesen und den Dialog verschiedener Generationen fördern. Sie bemüht sich daher darum, Projekte wie „Zeitungen bauen Brücken“ auch in anderen Regionen Deutschlands anbieten zu können.
Kontakt:
Wolf Borchers
Stiftung Lesen
Römerwall 40
55131 Mainz
Tel.: (06131) 28890-26
E-Mail: wolf.borchers@stiftunglesen.de
Internet: www.stiftunglesen.de
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