
Internationaler Schülerwettbewerb »lyrix« |
13.07.2011 |
Feierliche Preisverleihung im Berliner Funkhaus des Deutschlandradios
Sie kamen aus Deutschland und aller Welt: die Jahresgewinner des internationalen Lyrikwettbewerbs »lyrix«, die am 17. Juni 2011 im Berliner Funkhaus des Deutschlandradios ausgezeichnet wurden. Neben zwölf deutschen Preisträgern wurden junge Lyriktalente aus Brasilien, Bosnien und Herzegowina, Polen, Portugal, der Ukraine und Ungarn ausgezeichnet. Vom 15. bis 19. Juni trafen sich 14 Preisträgerinnen und Preisträger zum literarischen und interkulturellen Austausch in Berlin. Die Schüler aus dem Ausland besuchten zudem einen einwöchigen Sprachkurs am Goethe-Institut. Höhepunkt des Treffens war neben einer ganztägigen Schreibwerkstatt für alle Gewinner im Literarischen Colloquium Berlin und einem Autorengespräch im Rahmen des Berliner Poesiefestivals die Preisverleihung am 17. Juni, an der Vertreter der an »lyrix« beteiligten Institutionen sowie der fördernden Ministerien, Bundesministerium für Bildung und Forschung und Auswärtiges Amt, teilnahmen.
In einem Performance-Training mit dem renommierten Poetry-Slammer Bas Böttcher bereiteten sich die Nachwuchsdichter auf ihren Auftritt bei der Preisverleihung vor, bei der Bas Böttcher gemeinsam mit zwei U20-Talenten auch eigene Texte slammte. Weiterhin präsentierte der Beatboxmeister Daniel Mandolini seine Geräuschakrobatik aus Stimme und Sprache und zeigte, dass Beatboxing mehr ist als Schlagzeuggeräusche mit dem Mund zu erzeugen.
Es folgen die Gedichte der »lyrix«-Jahresgewinner aus dem Ausland:
Ich warte.
Ich warte auf die Zukunft,
die so weit weg ist.
Ich warte auf die Sätze,
die mir alles erklären.
Auf die Augen,
die mich verstehen!
Ich warte auf die richtigen Leute,
die einzelnen Momente, die ich nie vergessen werde.
Warte auf unbeschreibliche Geschichten...
Worauf warte ich wirklich?
Ich brauche nur den Willen.
Eine Bewegung kann alles verändern,
und ein Lächeln auch.
Aber ich warte... immer noch...
Autorin: Beatriz Albuquerque, Amadora, Portugal
Oficinas de S.Jose, Jahrgangsstufe: 10
Mein Kaffee
Mein Kaffee.
Wie immer stark.
Wie immer süß.
Und wie immer perfekt.
Er schmeckt
nach verbotener Frucht.
Er zergeht
in meinem eisigen Blut.
Er riecht
nach Eukalyptus.
Mit einem Tropfen bitteren Zimtes.
Mein Kaffee.
Wie immer stark.
Wie immer süß.
Und wie immer perfekt.
Er brennt
ruhig und gelassen.
Er heizt
meine arme Tasse.
Er wartet
auf deinen Atem.
Mit einem Tropfen Schokolade.
Du kommst.
Wie immer stark.
Wie immer süß.
Und wie immer zu spät.
Autorin: Valentyna Bilokrynytska, Tscherkassy, Ukraine
Cherkaska himnazija Nr. 31, Jahrgangsstufe: 10
Eigentlich
Erst denken, dann handeln
Und dann das dumme Gefühl im Bauch
Wie fühlt sich denn das ja an, das Blöde
Zuerst kriegt man steife Beine
Oder – besser gesagt
Unsere Verfehlungen gehen in die Füße
Um wegzulaufen
Das Rauchen
Die Disco
War nicht so schlimm
Die Religion passt
Ist eigentlich toll
Es ist ja so Vieles unklar
In unserem polnischen Geschichtsbuch
Aber wenn wir dann sehen das Ganze
Nicht das was wir wollten, planten
Eigentlich wollten wir das ja
Ja eigentlich schon
Aber das passt jetzt nicht so gut
Wie das andere
Das würde besser passen
Jetzt ist es aber da
Unbequem irgendwie
Und das Gefühl
Im Bauch, an der Leber
Weglassen
Verlassen
So, so – selber entscheiden
Ist ja schon gut
Die Zeit vergeht
Alles wird wie früher
Oder nicht?
Autorin: Anna Dyga, Gogolin, Polen
Publiczne Liceum Ogólnokszta³c¹ce nr II im.Marii Konopnickiej w Opolu, Jahrgangsstufe: 11
Fragen unter dem Kirschbaum
Mamma...
Warum hat der
Kirschbaum so viele Blumen?
Und warum sind
sie so weiß?
Und warum verwelken
sie so schnell?
Was geschieht dann
mit den Blumen?
Sterben sie?
Langsamer, Schatz...
Jede Blume muss
einmal verwelken.
Aber danach kommen
schon die Früchte,
die wir so gern essen.
Aber warum sind
die Kirschen noch nicht da?
Und wenn sie kommen,
warum sind sie sooo
lange nur grün und hart?
Sie brauchen doch Zeit.
Oder bist du auch
als Erwachsen geboren?
Autorin: Katalin Élő, Győr, Ungarn
Révai Miklós Gimnázium és Kollégium, Jahrgangsstufe: 12
Neuer Tag
Heute bin ich an einem Armen vorbeigegangen
Mit traurigen Augen hat er mich betrachtet
Er hat mich um Hilfe geben, die Träne war in seinen Augen
Die Hand war ausgestreckt und leer.
Ich hatte Chance ihm Geld zu geben,
Aber ich bin weitergegangen,
Als ob ich blind und elend gewesen wäre.
Heute habe ich trauriges Gesicht
Von einem kleinen Mädchen gesehen
Ich habe ihm nichts gesagt.
Aber nur ein Wort
Konnte das Lächeln entlocken,
Aber als ob ich blind gewesen wäre.
Heute hatte ich Chance
Mensch zu sein, besser zu sein,
Aber ich war taub und blind.
Heute reue ich mit Herz und Seele,
Heute reue ich wegen Chancen, die ich verpasst habe
Schon morgen kann ich so viel,
Weil mich morgen die neuen Chancen erwarten.
Mich erwartet ein neuer Tag.
Autor: Edin Ibreljić, Zenica, Bosnien und Herzegowina
Prva gimnazija, Jahrgangsstufe: 4
Verfehlungen
Verfehlt,
Den Elfmeter verfehlt,
verloren, verfehlt.
Die Liebe verfehlt,
für immer, verfehlt.
Es scheint so als ob ich den Zug meines Lebens verfehlt habe,
fünf Minuten zu spät, verfehlt.
Und ich sag mir immer wieder, das war das letzte mal,
doch es passiert wieder, verloren, für immer zu spät, verfehlt.
Wie lange geht`s so weiter?
Es scheint nicht lange, ich sehe das Licht am Ende des Tunnels.
...nur eine Enttäuschung, denn wieder sagt eine Stimme: Verfehlt!
Nein, hier bin ich richtig!
Hier lerne ich aus meinen Fehlern, hier kann ich nur gewinnen.
Und die Stimme schwindet...schwindet...für immer...
Autor: Haris Poturković, Zenica, Bosnien und Herzegowina
Prva gimnazija u Zenici, Jahrgangsstufe: 2
Die Sängerin und der Zuschauer
Alle schauen her,
im Raum herrscht Stille.
Ich gerate in Panik
und bleib’ einfach stehen.
Kein Teil von mir traut sich,
ich krieg’ keinen Ton raus.
Plötzlich hab’ ich Angst...
Meine Haut brennt,
ich bin aufgeregt.
Ich warte.
Auf einmal sehe ich,
wie er den Blick auf mich richtet.
Aus der Ferne höre ich
den Rhythmus erklingen.
In meinem Innern fühle ich
die Melodie, die aus mir kommt
und den ganzen Raum erfüllt.
Sein Gesicht erleuchtet sich.
Eine Verbindung entsteht
und die Brücke wird gebaut.
Der Abstand verschwindet,
ich hab’ keine Angst mehr.
Meinem Gesang lasse ich freien Lauf
und fühle wie wir zusammen
nur einer sind.
Autorin: Isabella von Wallwitz, São Paulo, Brasilien
Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe: 6
Lesen Sie auch die Gedichte der deutschen Preisträgerinnen und -preisträger auf der »lyrix«-Website.
Der »lyrix«-Jury 2010 gehörten an:
Die Lyriker Uljana Wolf und Norbert Hummelt, der Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, der Literaturkritiker Michael Braun, der Verleger Manfred Metzner (Das Wunderhorn), der Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin, Dr. Ulrich Janetzki, sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.
»lyrix« - Schülerwettbewerb für Dichter mit Klasse
Der internationale Schülerwettbewerb »lyrix« ist ein Kooperationsprojekt des Deutschlandfunks mit dem Deutschen Philologenverband, dem Verlag Das Wunderhorn und der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) des Auswärtigen Amtes. Schirmherrin ist die Bundesbildungsministerin, Prof. Dr. Annette Schavan.
Im aktuellen Wettbewerbsjahr kooperiert »lyrix« mit namhaften deutschen Museen. Alle zwei Monate beginnt eine neue Wettbewerbsrunde, deren Leitmotiv sich jeweils auf ein Gedicht und auf ein thematisch passendes Kunstobjekt bezieht. Schülerinnen und Schüler der 5. bis 13. Klasse können sich mit eigenen Gedichten am Lyrikwettbewerb beteiligen.
Mehr Informationen zum »lyrix«-Wettbewerb unter www.dradio.de/lyrix.
Kontakt:
Annemarie Bütow
Deutschlandfunk / Deutschlandradio Kultur
Raderberggürtel 40
50968 Köln
Tel.: (0221) 345 2169
E-Mail: annemarie.buetow@dradio.de
Internet: www.dradio.de/lyrix
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