
Besuch beim Lesekönig der Grundschule |
28.01.2010 |
Wie Tobias Reittinger aus Cham Schulsieger bei Antolin wurde
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Lesekönig Tobias Reittinger © Chamer Zeitung |
Alles andere als ein Stubenhocker ist der Lesekönig der Chamer Grundschule Tobias Reittinger. „Nein, ein Stubenhocker ist er wirklich nicht“, erklärt auch seine Mutter Petra Reittinger. Wie er bei allen ASV-Fußball- und Kolping-Aktivitäten bei Antolin, dem Grundschulprojekt zur Leseförderung, auf satte 14373 Punkte kommen konnte, darüber kann man staunen. Doch es ist eben nicht nur der Sport, der den 1,45-Meter-Jungen begeistert. „Ich lese, weil es einfach Spaß macht“, sagt er.
Nicht gerade eine häufig ausgeübte Disziplin in seinem Alter. Nicht viele in seiner Klasse kennt er, die so ein Faible fürs Schmökern haben, wie er. Fünf Mitschüler, von denen er weiß, dass sie gerne lesen, haben auch Antolin-Urkunden überreicht bekommen. Mit einem Klassenkameraden hat er sogar immer wieder mal Bücher getauscht. „Viele Bücher haben wir auch in der Stadtbücherei ausgeliehen, denn was der Tobias alles gelesen hat, hätte man unmöglich alles kaufen können“, erläutert Mama Reittinger.
Langweilige Bücher kommen ihrem Sohnemann gar nicht erst auf das Sideboard, auf dem sich Detektivromane für Kinder und Jugendliche stapeln. Seine Favoriten sind die zahllosen Bände der Serie „Die drei ???“, „Das magische Baumhaus“ und „Das Tigerteam“. Allein von den „drei ???“ hat er 32 Bände gelesen, als ihm die Titel der neuen Reihe für Kinder ausgingen, holte sein Vater Markus Reittinger ihm die gleichnamigen Schmöker seiner Kinderzeit vom Speicher.
Gerade im Grundschulalter, davon ist Grundschulrektor Max Wiesenreiter überzeugt, ist Lesen besonders wichtig. Schule und vor allem Eltern müssten die Kinder motivieren, denn: „Das Lesefenster steht gerade einmal bis zum 13. Lebensjahr offen.“ Wer bis dahin nicht Appetit auf Bücher bekommen hat, dürfte sich Studien zufolge schwer tun, jemals auf den Geschmack zu kommen. Bei der Antolin-Siegerehrung vor der versammelten Schülerschar erklärte er noch: „Die Bedeutung des Lesens lässt sich nicht abstreiten, wenn man allein bedenkt, welches Wissen man sich anlesen kann, welches Wissen zwischen zwei Buchdeckeln verborgen liegt.“ Diesen Schatz zu heben, dazu forderte er seine Schüler auf. Etwa an verregneten Ferientagen sollten sie sich einmal auf Schatzsuche in die Bücherei begeben.
Das ist etwas, was sich Tobias nicht zweimal sagen lässt. Zumal er ja bei weitem nicht nur auf seinem Bett oder in seiner Leseecke sitzt und sich Satz um Satz durch die Bücher ackert, sondern zwischendurch auch geheime Botschaften in den Büchern entschlüsselt. „Es gibt Einzelbände, Sammelbände und Superfälle, für die letzten gibt es einen Decoder. Ich hol ihn“, und schon flitzt er wie ein Blitz die Treppe vom Esszimmer rauf in sein Reich und kommt wenig später mit einer Plastikkarte mit kleinen durchsichtigen Fenstern und Symbolen wieder herunter. Wie gesagt: Der Junge ist ein Sportler. Beim Auflegen des Decoders auf eine schraffierte Fläche in einem seiner Detektivbände wird sogleich tatsächlich eine geheime Botschaft sichtbar.
So gern Tobias aber liest, so wenig gern schreibt er: „Das hasse ich, vor allem Grammatik“, erklärt er. Mathe dagegen ist sein Metier. Dass das viele Lesen aber auch für die Deutschnote nützlich war, bestätigt seine Mama: „In Aufsätzen ist er ganz gut. Da bringt er manchmal Sätze rein, die er in Büchern gelesen hat. Das hat schon einen Einfluss.“
Wie er aber nun zu so vielen Punkten kam und den Schulzweiten 3171 Punkte hinter sich zurückließ, ist kein Zufall. „Ich wollte letztes Jahr schon Antolin-Schulsieger werden. Aber da hab ich das nicht geschafft. Diesmal wollte ich das unbedingt schaffen und habe nur Antolin-Bücher gelesen“, gibt Tobias zu.
Jene Bücher erkennt man in der Stadtbücherei an einem roten Aufkleber mit entsprechender Aufschrift. Wenn Tobias ein Buch gelesen hat, schaltet er seinen Computer ein und geht ins Internet. Auf der Website www.antolin.de gibt er Kennwort und Benutzername ein, trägt in die obere Leiste den Titel des gerade erst verschlungenen Buches ein und hat dann 15 Minuten Zeit für 10 bis 15 Fragen zum Buch.
„Es gibt Fragenkataloge mit roten Mützensymbolen, das sind dann die mit Nachdenkfragen, und welche mit blauen Mützen, das sind dann eher leichtere Fragen“, erklärt Tobias. Je nach Schwierigkeitsgrad der Fragen und Einstufung des Buches (1. bis 6. Klasse) gibt es für die richtigen Antworten Punkte. Tobias hat so im Lauf eines Jahres eben jene 14373 Punkte abgesahnt.
Nach Schluss des Antolin-Punktesammelns ist Tobias nun aber richtig froh. Nicht etwa, weil es so viel Stress gewesen wäre, neben Schule und Fußball auch noch so viel zu lesen. Dann wäre Tobias ja auch nicht gleich nach Antolin in die Stadtbücherei gegangen und mit einem ganzen Stapel Büchern wieder heraus und nach Haus. Nein! „Ich habe mir die ganze Zeit einige Bücher verkniffen, die mich schon lange interessieren, weil sie nicht in Antolin waren“, erklärt er. Aber die habe er sich jetzt endlich alle geholt.
Auch in den Ferien wird das nicht sein einziges Vergnügen sein: Er will lesen, aber auch Fußball spielen, Freunde treffen, ins Schwimmbad gehen und vor allem sein neues Einrad zusammenbauen und fahren lernen. Nicht zu vergessen ein Trip mit seinen Eltern und seinem ebenfalls lesevirusinfizierten Bruder Fabian nach Wien und dann in den Freizeitpark nach Rust. Die Ferien können kommen.
Autorin: Stephanie Paa
Quelle: Chamer Zeitung, 2. August 2008
Dietrich Oppenberg Medienpreis 2009
Die Chamer Journalistin Stephanie Paa wurde am 30. November 2009 in Schwerin von Henry Tesch, Kultusminister Mecklenburg-Vorpommerns und Präsident der Kultusministerkonferenz, für ihre in der Chamer Zeitung erschienene Artikelserie „Bücher bauen Brücken“ mit dem Sonderpreis des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2009 ausgezeichnet. Laut Jury ist die Serie über Protagonisten der örtlichen Lesekultur „ein herausragendes Beispiel für journalistisches Engagement zum Thema Lesen“.
Initiatoren des Dietrich Oppenberg Medienpreises, der herausragende Pressebeiträge zum Thema Lesen auszeichnet, sind die Stiftung Presse-Haus NRZ und die Stiftung Lesen. Der im Jahr 2000 verstorbene Namensgeber des Preises, Dietrich Oppenberg, war Gründer und langjähriger Herausgeber der NRZ Neue Ruhr Zeitung/Neue Rhein Zeitung in Essen und ein Förderer der publizistischen Kultur in Deutschland.
Die Mitglieder der Jury 2009 waren neben Heinrich Meyer, Geschäftführer der Stiftung Presse-Haus NRZ und Herausgeber der NRZ Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, und Rolf Pitsch, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lesen und Direktor des Borromäusvereins e.V.: Gabriele Bartelt-Kircher, Leiterin der Journalistenschule Ruhr, Karin Großmann, Chefreporterin Sächsische Zeitung, Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und Herausgeber der Kölnischen Rundschau, Manfred Lachniet, Stellvertretender Chefredakteur der NRZ Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, sowie Hans Riebsamen, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
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