
Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein |
30.11.2009 |
Bestandsaufnahme durch eine Umfrage
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Lernort Schülerbücherei © Büchereiverein SH e.V. |
(Ergänzung der Autorin am 22.01.2015: Trotz der Einigkeit über die Notwendigkeiten und über sinnvolle nächste Schritte ist die Lage der Schulbibliotheken seit 2009 unverändert. Insofern können diese Zahlen noch als aktuell gelten.)
„Aus den Ergebnissen lässt sich das Ziel ableiten, die Schülerbüchereien untereinander und mit den bibliothekarischen Einrichtungen des Landes stärker zu vernetzen“, stellt Ministerialdirigentin Dr. Claudia Langer in ihrem Grußwort fest. Zudem sei eine fachliche bibliothekarische Unterstützung der oft ehren- oder nebenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hilfreich, so Langer.
Auch Dr. Heinz-Jürgen Lorenzen, Direktor der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, ist überzeugt: „Über Kooperationen können redundante Angebote vermieden und weitere Synergieeffekte erzielt werden.“ Die Fachkompetenz der öffentlichen Bibliotheken zur Unterstützung und Verbesserung der Schülerbüchereien sollte auf jeden Fall in die weiteren Entwicklungen einbezogen werden. Dies sei besonders wichtig, da Schülerbüchereien wichtige Bausteine zur Entwicklung von Lesekompetenz seien, betont Dr. Thomas Riecke-Baulecke, Direktor des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH): „Schülerbüchereien als Ort selbstständigen, eigenverantwortlichen Lernens mit einem Angebot zur themenorientierten Recherche, aber auch zum eigenen Lesevergnügen bieten als Teil des Schullebens die Chance, Lesekultur noch ein Stück mehr als bisher gesellschaftlich zu verankern.“
Notwendig war die Untersuchung geworden, weil bildungspolitische Diskussionen, z.B. um die Ausgestaltung der Ganztagsschulen, immer wieder auch das Bibliothekswesen in den Blick nahmen. Dabei stellte sich heraus, dass für den Aufbau und Betrieb von Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein bislang niemand außerhalb der jeweiligen Schulen zuständig war. Die systematische Zusammenarbeit zwischen Schulen und öffentlichen Büchereien war jedoch bereits 2005 durch eine Rahmenvereinbarung zwischen dem damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur und dem Büchereiverein Schleswig-Holstein e.V. – dem Träger der Büchereizentrale – geregelt worden. Die gemeinsame Entwicklung eines Konzepts für die Gestaltung und den Aufbau von Schülerbüchereien wäre daher eine konsequente Weiterentwicklung dieses bereits begonnenen Prozesses.
Fragen zur Schülerbücherei und zur Leseförderung
Insgesamt haben sich 626 (von 1.701) Schulen an der Umfrage beteiligt. Das sind 36,8 % aller schleswig-holsteinischen Schulen. Im Juli 2007 wurde an alle Schulen des Landes ein Fragebogen versandt mit der Bitte, ihn ausgefüllt bis zum 8. Oktober 2007 an die Arbeitsstelle Bibliothek und Schule der Büchereizentrale zurückzuschicken. Erfragt wurden allgemeine Angaben zur Schulart sowie zur Anzahl der Schüler und Klassen und spezielle Angaben zur Bücherei und zur Leseförderung.
- Wer arbeitet in der Schülerbücherei vor Ort?
- Welcher Art ist die Nutzung der Bücherei?
- Wozu wird die Schülerbücherei benutzt?
- Welchen Medienbestand umfasst die Schülerbücherei?
- Wie viele Bücher/ Medien hat die Bücherei?
- Gibt es eine Ausleihe für die Schüler/innen? Wie viele Ausleihen haben Sie im Jahr?
- Gibt es in der Schüler-bücherei PC-Plätze?
- Haben die Bücherei-PC-Plätze Internetzugang?
- Haben Sie einen geson-derten Medienetat für die Schülerbücherei? Wo hoch ist dieser?
- Gibt es feste Öffnungszeiten?
- Gibt es Veranstaltungen und Aktionen zur Lese-förderung an Ihrer Schule? Wenn ja, wer führt diese durch?
- Welche Wünsche oder Vorschläge haben Sie zur Kooperation zwischen Ihrer Schule und der örtlichen Stadtbibliothek?
Die Ergebnisse der Umfrage wurden in der Arbeitsstelle Bibliothek und Schule des Büchereivereins Schleswig-Holstein e.V. von Dipl.-Bibl. Kathrin Reckling-Freitag ausgewertet und mit den Standards für Schülerbüchereien, die von der Expertengruppe Bibliothek und Schule des Deutschen Bibliotheksverbandes (DBV) veröffentlicht wurden, verglichen. Die gesamte Studie steht im pdf-Format auf der Internetseite der Büchereizentrale zur Verfügung steht.
Wir veröffentlichen nachfolgend aus dem Kapitel „Empfehlungen zur weiteren Entwicklung“ die Abschnitte „Handlungsbedarf“, „Umsetzung: Erste Schritte“ und das „Fazit“.
Handlungsbedarf
Weiterentwicklung des Schülerbüchereiwesens in Schleswig-Holstein
Eine qualitative Analyse sollte der nächste Schritt sein, der die Ausgangsbasis für ein fundiertes Bibliothekskonzept liefert. Aus diesem Konzept heraus kann dann mit der Entwicklung von entsprechenden, zielgruppenorientierten Hilfs- und Serviceangeboten für die Schülerbüchereien begonnen werden.
Parallel dazu sollten tragfähige Kooperationsmodelle entwickelt und Best-Practice-Modelle gefördert werden, die eine sinnvolle und ressourcenorientierte Zusammenarbeit von Schülerbüchereien und öffentlichen Bibliotheken darstellen.
Dabei ist von der Entwicklung eines mehrstufigen Konzepts für die Bibliotheksversorgung von Schulen auszugehen, welches den unterschiedlichen Größen von Städten und Gemeinden einerseits und den verschiedenen schulischen Anforderungen andererseits Rechnung trägt. Auch die Lage der Schulen in Städten, Ballungsräumen, ländlichen Räumen oder Insellagen muss in ein solches Konzept Eingang finden.
Bisherige strukturelle Überlegungen, Angebote und bereits existierende Institutionen für die verschiedenen Ansprüche sollten mit eingebunden werden:
Mobile Schülerbücherei, Haltepunkt der Fahrbücherei an der Schule, Nutzung von Medienboxen der Schulbibliotheksstelle, ehren- oder nebenamtliche Schülerbüchereien, Klassenbibliotheken, bereits existierende Kooperationen mit öffentlichen Bibliotheken, öffentliche Bibliotheken in Schulen, kombinierte Stadt- und Schulbibliotheken, eigenständige Schulbibliotheken mit fachlicher Leitung oder als Zweigstelle der Stadtbibliothek, fachliche Betreuung der Schulbibliotheken durch schulbibliothekarische Arbeitsstellen.
Initiierung von Netzwerken
Netzwerke stellen ein wirksames Instrument zur Unterstützung der schulbibliothekarischen Arbeit dar. Übergeordnete Angebote und Strukturen sind auf eine Realisierung an der Basis angewiesen. Auf Grund der großen Anzahl von Schulen können nur solche zusätzlichen – sich schließlich selbst organisierenden – Strukturen eine verlässliche Umsetzung des Bibliothekskonzeptes für Schulbibliotheken sichern.
Die Vernetzung der Schülerbüchereien sollte von zwei Seiten aus angegangen werden. Zum Einen sollten die Schülerbüchereien untereinander Kontakte aufbauen und bspw. eine Arbeitsgemeinschaft der Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein gründen. Diese Arbeitsgemeinschaft könnte dann auch die Vertretung der Schülerbüchereien auf übergeordneten Ebenen wahrnehmen. Eine spätere Anbindung an das bundesweite Netzwerk ist hierdurch ebenfalls möglich.
Auf der anderen Seite sollte eine Stelle geschaffen werden, die diesen Prozess anstößt und begleitet. Die bibliothekarisch-fachliche Beratung der Schülerbüchereien, z.B. zu Kooperationen mit den öffentlichen Bibliotheken vor Ort, sollte zentral erfolgen und eine zukünftige Arbeitsgemeinschaft im Sinne eines schleswig-holstein-weiten Bibliothekskonzeptes betreuen und begleiten.
Professionalisierung des Personals der Schülerbüchereien
Durch die Ergebnisse dieser Umfrage wurde deutlich, wie wenig die Schülerbüchereien mit dem öffentlichen Bibliothekswesen bisher verbunden sind und dass das dortige Personal oftmals aus einem fachfremden Hintergrund kommt.
Hier liegt ein sehr großer Fort- und Weiterbildungsbedarf vor, der vor allem die Vermittlung von bibliothekarischem Fachwissen beinhaltet. Die Schaffung eines entsprechenden Angebotes an Fort- und Weiterbildungen ist ein wichtiges Ziel der weiteren Entwicklung. Neben der Verbesserung der Schülerbüchereiangebote wird geschultes Personal als Multiplikator wirken und die weitere Umsetzung des Entwicklungsplans vor Ort erleichtern.
Qualitätssicherung in Schülerbüchereien
Die bisher in der bibliothekarischen Öffentlichkeit diskutierten Standards für Schulbibliotheken (siehe auch Kapitel 4) sollten in zukünftigen Planungen auch in Schleswig-Holstein an die Schulbibliotheken und ihre Träger herangetragen werden. Entsprechend zum noch zu erstellenden Entwicklungsplan können hieraus für die Schulbibliotheken ggf. auch Förderkriterien entwickelt werden, die Bezuschussungen der Schulbibliotheken auf eine fundierte Basis stellen.
Umsetzung: Erste Schritte
Zuständigkeiten für Schülerbüchereien
Die Zuständigkeiten für Schülerbüchereien liegen auf den Schnittpunkten verschiedener Institutionen, so dass hier genaue Absprachen über eine gemeinsame Zuständigkeit notwendig sind, bevor weitere Schritte unternommen werden können.
Für die schulische Seite steht das Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein, für die Lehreraus- und Fortbildung das Institut für Qualitätssicherung an Schulen Schleswig-Holstein. Für das Bibliothekswesen in Schleswig-Holstein ist der Büchereiverein Schleswig-Holstein e.V. der entsprechende Ansprechpartner. Die Verwaltungen der einzelnen Schulen vor Ort liegen jeweils bei kommunalen Trägern, Kreisen oder Schulverbänden.
Die einzelnen Schritte der weiteren Umsetzung werden Absprachen auf verschiedenen Ebenen nach sich ziehen. Eine gemeinsame Basis sollte von den übergeordneten Partnern geschaffen werden, auf der die Partner vor Ort dann weiterarbeiten können. Zentrale, landesweite Entscheidungen sollten ebenfalls auf übergeordneten Ebenen getroffen werden.
Schulbibliothekarische Arbeitsstelle
Um diese verschiedenen Abstimmungsprozesse an einer Stelle zu koordinieren und die vielfältigen Aufgaben wahrzunehmen, die aus der weiteren Umsetzung des Bibliotheksentwicklungsplans entstehen, bedarf es einer zentralen Koordinations- und Beratungsstelle. Diese sollte fachlich sinnvollerweise in der Büchereizentrale Schleswig-Holstein angesiedelt sein. Bei der Einrichtung einer solchen Stelle ist die Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung der einzelnen – oben genannten – zuständigen Partner unabdingbar.
Die Aufgaben einer schleswig-holsteinischen schulbibliothekarischen Arbeitsstelle (SBA-SH) sollten enthalten:
- Herbeiführung von Absprachen und Diskussionen auf übergeordneter Ebene
- Federführung bei der Entwicklung eines realistischen Entwicklungsplans für Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein
- Informations- und Koordinationsstelle
- Initiierung von Netzwerken der Schülerbüchereien untereinander
- Beratung bei der Kooperation mit den öffentlichen Bibliotheken
- laufende Unterstützung der Schülerbüchereiarbeit durch Arbeitshilfen und -materialien
- Angebot von Fortbildungen für Schülerbüchereibetreuer
- Verzahnung mit den zentralen Dienstleistungen der Büchereizentrale Schleswig-Holstein
Bibliotheksentwicklungsplan für Schülerbüchereien
Die landesweite sinnvolle Weiterentwicklung des Schülerbüchereiwesens soll dies zu einem tragfähigen Bestandteil des öffentlichen Bibliothekswesens werden lassen. Dazu bedarf es eines Konzeptes, dass sowohl die Schülerbüchereien mit ihren Bedürfnissen, Ideen und Ansprüchen als auch die öffentlichen Bibliotheken mit ihren bisherigen Angeboten und Dienstleistungen einbindet.
Ein solches Konzept sollte Schülerbüchereien, öffentliche Bibliotheken, Fahrbüchereien und weitere Angebote als einzelne Bestandteile eines umfassenden schleswig-holsteinischen Bibliothekswesens sehen. Es sollte eine Form finden, in der diese ressourcenorientiert, effektiv und zielgerichtet miteinander verknüpft werden. Nur durch die Einbindung aller Teile des Bibliothekswesens können wir hier zu einem tragfähigen Gesamtkonzept kommen.
Fazit
Der Handlungsbedarf zum Thema Schülerbüchereien ist insgesamt sehr groß.
Die Motivation der Schülerbücherei-Betreuer ist sehr hoch und die Bedürfnisse auf allen Seiten drängend.
Fachwissen, Grundlagen und Strukturen zur Umsetzung sind vorhanden.
Gemeinsam können wichtige Schritte begonnen werden, die das Bibliothekswesen (öffentliches und schulisches) und die Schulen in Schleswig-Holstein einen großen Schritt voran bringen.
Ziel ist eine effektive und ressourcenorientierte Bildungslandschaft, die den Schülerinnen und Schülern die optimalen Voraussetzungen für eine kompetente Teilhabe an der Gesellschaft durch geschulte Informations- und Medienkompetenz sichert.
Auswertung der Umfrage:
Arbeitsstelle Bibliothek und Schule des Büchereivereins Schleswig-Holstein e.V.
Dipl.-Bibl. Kathrin Reckling-Freitag
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Stand 9/2009
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