Bericht

Ein Schauspieler gibt Vorleseunterricht

13.05.2008

Olaf Krätke engagiert sich für die Leseförderung





Lesung mit Olaf Krätke in der Gustav-Leutelt-Schule
Lesung mit Olaf Krätke in der Gustav-Leutelt-Schule


Oft klagen Erwachsene darüber, dass bei Kindern und Jugendlichen zunehmend eine sprachliche Retardierung bzw. eine Simplifizierung der Sprache zu beobachten ist. Meist wird das auf den stetig wachsenden Gebrauch von Handys und Computern oder auch auf übermäßigen Medienkonsum zurückgeführt. Als Schauspieler bin ich ein Mann des Wortes und bedaure es, wenn junge Menschen immer weniger Interesse am Bücherlesen haben. Darum entschloss ich mich, etwas zu tun, das junge Menschen zum Lesen anregt.

Als ich Anfang 2006 zum ersten Mal von der Aktion „Bücher aus dem Feuer” hörte, war ich als gesellschaftspolitisch interessierter Mensch sofort davon angetan. Außerdem fühlte und fühle ich mich als Künstler selbst betroffen von dem, was den Autoren und Schauspielern damals widerfahren ist. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, mich zu engagieren, damit solche unmenschlichen, grausamen und kulturell fatalen Geschehnisse, wie die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten am 10. Mai 1933, nie wieder geschehen.

Am 10. Mai 2006 las ich zum ersten Mal vor Schülerinnen und Schülern der 8. und 9. Klassen der Hauptschule Biessenhofen. Mit einer Mischung aus nachdenklichen und humoristischen Texen von Kästner, Brecht und Tucholsky versuchte ich, sowohl an das historische Geschehen zu erinnern als auch auch die jungen Zuhörer für die literarischen Werke (Prosa und Lyrik) zu begeistern. Ich war überrascht von der Wirkung der Lesung, die vor allem beim anschließenden Gespräch mit den Schülern zum Ausdruck kam. Die Jugendlichen fragten interessiert nach Begriffen, Zusammenhängen und Ausdrucksformen und waren keinegswegs Literatur gegenüber abgeneigt. Seit dieser ersten Lesung bin ich der festen Überzeugung, dass man auf junge Menschen zugehen muss, um ihnen Literatur und Kunst nahe zu bringen. Das ist nicht allein die Aufgabe von Eltern und Pädagogen, jeder Erwachsene kann sich auf seine Weise einbringen, kann aufmerksam zuhören und jungen Menschen ein Vorbild sein.

Der Erfolg der Lesung sprach sich herum und im Jahr 2007 wurde ich von zwei Schulen zu Lesungen eingeladen, von der Hauptschule Biessenhofen und von der Gustav-Leutelt Schule in Kaufbeuren. Die positiven Reaktionen der Schülerinnen und Schüler veranlassten Anton Zenz, den Direktor der Gustav-Leutelt Schule, Vorleseunterricht für die 5. und 8. Klassen während des gesamten Schuljahres einzurichten. Das Pilotprojekt bietet den Schülern die Möglichkeit, sich intensiv mit Texten auseinanderzusetzen und das Vortragen so zu üben, dass es die Zuhörer fesselt und dem Anliegen der Autoren gerecht wird. Bereits nach dem Abschluß der zweiten Unterrichtseinheit, im April/Mai 2008, zeigen sich wunderbare Resultate. Vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler sind mit ungeheurer Freude und Spaß bei der Sache und lernen viel, trotz der weit auseinander liegenden Unterrichtseinheiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Kinder dort abzuholen, wo sie sich
befinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, eigene Interpretationsformen zu wählen und vorzustellen.

Für mich waren die Lesungen und Unterrichtsstunden eine große Bereicherung. Diese Form der Kultur- und Jugendarbeit kann, und davon bin ich fest überzeugt, auch die Generationen einander näher bringen und das Leben auf beiden Seiten enorm bereichern.

Autor:
Olaf Krätke

Redaktionskontakt: schuster@dipf.de