
Evaluation in der Leseförderung |
20.12.2007 |
Bericht zum dritten "Round Table Leseförderung" in Mainz
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Round Table Leseförderung 2007 Foto: Fernando Baptista |
Evaluation in der Leseförderung wird an Bedeutung gewinnen
Die bei der ersten Mainzer Fachtagung im Dezember 2005 begonnenen Bemühungen der Leseförderungsinstitutionen und -initiativen in Deutschland um ein vernetztes Vorgehen und eine gemeinsame Konzeptentwicklung wurden somit fortgesetzt. Der Round Table als notwendige und bundesweit einzigartige Plattform für diesen Austausch wurde durch dass Bundesministerium für Bildung und Forschung weiterhin unterstützt. Diente die erste Mainzer Konferenz vor allem einer Bestandsaufnahme und allgemeinen Vorausschau auf künftige Aufgaben und neue Herausforderungen der Förderung von Lesekompetenz und Lesemotivation, stand im Vorjahr die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema "Leseförderung und Diversität“ im Mittelpunkt. Diskutiert wurden beim Round Table 2006 die drei spezifischen Kontextbedingungen Migrationshintergrund, soziale Benachteiligung und Geschlechterdifferenz als Herausforderungen für die Leseförderung. Im Jahr 2007 drehte sich nun alles um die Frage „Evaluation der Leseförderung“. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Geldgeber zunehmend ergebnisorientierte Berichte und nachvollziehbare Qualitätsnachweise fordern, wenn es um die Entscheidung geht, ob und wie lange Leseförderungsprojekte und –maßnahmen gefördert werden. Zum anderen setzt sich bei den Projektträgern selbst zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Analyse der Programmauswirkungen eine Voraussetzung dafür ist, Projekte zielgerichtet weiterzuentwickeln. Es ist davon auszugehen, dass Evaluation in der Leseförderung mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird. Grund genug für den Round Table, sich gemeinsam systematisch über bereits vorhandene Evaluationsansätze und -aktivitäten zu informieren, anstatt jeweils das Rad immer wieder neu zu erfinden.
Leseförderer aus ganz Deutschland am "Runden Tisch"
Prominent vertreten war die Bundesseite: Corinna Brüntink, Referatsleiterin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, machte in ihrem Grußwort deutlich, welch grundlegende Bedeutung die Evaluation hat und welche Chancen sich zukünftig für die Leseförderung daraus ergeben können. Bis auf Brandenburg und Schleswig-Holstein hatten alle Bundesländer Vertreterinnen und Vertreter aus den Bildungs-, Wissenschafts- oder Kultusministerien bzw. aus Landesinstituten für Schulentwicklung oder Lehrerbildung zum Runden Tisch nach Mainz geschickt. Wie bereits in den Vorjahren zeigten auch die Vertreterinnen und Vertreter wichtiger Leseförderungsorganisationen Präsenz bei den Gesprächen am "Runden Tisch". Bekannte Institutionen wie der Bundesverband der Friedrich-Bödecker-Kreise, der Deutsche Bibliotheksverband, die Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage, der Verband Deutscher Zeitrschriftenverleger, die Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Literatur NRW oder die Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft saßen ebenso am großen runden Tisch wie die "Akademie für Leseförderung" (Hannover) und die „ZEIT-Stiftung“.
Podiumsdikussion, Plenum und Arbeitsgruppen zum Thema Evaluation
Im Vorjahr waren spezifische Kernthemen der Leseförderung im Plenum durch Expertinnen und Experten näher beleuchtet und dann im Rahmen kleinerer Arbeitsgruppen, begleitet durch wissenschaftliche Expertise, vertieft bearbeitet worden. Dieses Konzept hat die Stiftung Lesen als Gastgeberin auch beim dritten Round Table Leseförderung fortgeschrieben. Prof. Dr. Stefan Aufenanger, Erziehungswissenschaftler an der Mainzer Universität und Wissenschaftlicher Direktor der Stiftung Lesen, führte die Tagungsgäste in die Thematik ein. Mit kurzen Statements sorgte danach ein fachlich kompetent besetztes Podium für einen informativen und verständlichen Einstieg in die komplexe Thematik der Evaluation. Vertreten waren Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehncke, Literaturdidaktikerin von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Prof. Dr. Peter Conrady vom Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität Dortmund und der Berliner Soziologe Prof. Dr. Uwe Flick; Professor für Qualitative Forschung an der Alice-Salomon-Fachhochschule. Die Tagungsteilnehmerinnen und –teilnehmer sorgten durch differenzierte Nachfragen und Berichte über eigene Erfahrungen dafür, die gemeinsame Wissensbasis für die nachfolgende Beschäftigung mit Einzelaspekten der Evaluation in zwei Arbeitsgruppen zu verbreitern.
Fragen und Problemfelder
Bereits im Plenum wurden spannende Fragen angerissen und komplexe Problemfelder beleuchtet: „Wie kann Evaluation uns dabei helfen, herauszufinden, was unser Tun praktisch bewirkt? Wie überprüfen wir die nachhaltige Wirkung eines Projektes nach dessen Ende? Verfügen wir bereits über die notwendigen Evaluationsmethoden und –kriterien, um die Qualität unseres Handelns zu überprüfen oder müssen diese erst noch entwickelt werden? Reichen quantitative Maßstäbe oder sind es nicht gerade qualitative Methoden oder eine Kombination von beidem, die erfolgversprechend sind? Kann Evaluation dazu beitragen, dass unsere Projekte nachhaltig Akzeptanz finden und weiter finanziert werden? Was ist das Interesse des Auftraggebers an der Evaluation, worin unterscheidet es sich vom Interesse des Projektträgers und welche Konsequenzen hat dies?“
Arbeitsgruppe "Evaluation in Schule und Unterricht“
Die Moderation der Arbeitsgruppe "Evaluation in Schule und Unterricht“ übernahmen Prof. Dr. Marci-Boehncke und Prof. Dr. Conrady. Die Arbeitsgruppe legte den inhaltlichen Schwerpunkt insbesondere auf die demnächst abgeschlossene Evaluationsstudie für den Boedecker-Kreis zur Nachhaltigkeit von Autorenbegegnungen, an der Prof. Dr. Conrady mitgewirkt hat. Praxisnah vermittelte Prof. Marci-Boehncke darüber hinaus die Möglichkeiten und die Bedienerfreundlichkeit des einfachen und günstigen Evaluationsprogramms GrafStat, das gerade auch in Schulen Anwendung finden könnte und sollte, um Leseförderungsmaßnahmen zu evaluieren.
Arbeitsgruppe "Evaluation von Projekten und Organisationen der Leseförderung"
In der parallel tagenden Arbeitsgruppe "Evaluation von Projekten und Organisationen der Leseförderung" hatten Prof. Dr. Aufenanger und Prof. Dr. Flick die Gesprächsleitung inne und standen für inhaltliche Rückfragen zur Verfügung. Die Arbeitsgruppe befasste sich sowohl theoretisch mit den Aspekten, die bei der Evaluation von Leseförderungsprojekten Beachtung finden sollten, als auch mit zwei praktischen Anwendungsbeispielen: Debattiert wurde die Evaluation des Projektes „Zeitschriften in der Schule“ durch die Stiftung Lesen sowie die geplante Evaluation eines Leseförderungsprojektes der ZEIT-Stiftung mit Hauptschülerinnen und –schülern in Hamburg.
Netzwerkarbeit soll weiter ausgebaut werden
In der abschließenden Diskussion mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden grundlegende Handlungsstrategien zum Umgang mit Evaluation in der Leseförderung diskutiert und Ergebnisse der Tagung bilanziert. Deutlich wurde die Bereitschaft der Anwesenden, die begonnene Netzwerkarbeit weiter auszubauen. So soll das BMBF-finanzierte Internetportal „Lesen in Deutschland“ von den Leseförderungsinstitutionen künftig auch als Forum und Plattform für Evaluationsfragen aktiv genutzt werden. Der etablierte Round Table soll weiterhin zur Entwicklung von Handlungsperspektiven in der Leseförderung beitragen. Professor Aufenanger schlug vor, beim Round Table 2008 in Mainz die Frage zu stellen, was die Veränderung der Medienwelten von Kindern und Jugendlichen für die Leseförderung bedeutet.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Round Table konnten aus den Diskussionen auf dem Podium, im Plenum und in den beiden Arbeitsgruppen viele Anregungen, einen Überblick über quantitative und qualitative Methoden, Einblicke in bereits vorhandene Ansätze und gute Ideen zum Nachnutzen in ihrer eigenen Evaluationspraxis mitnehmen. Damit Verlauf und Ergebnisse der Fachtagung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, wurde die Tagung wie bereits in den Vorjahren aufgezeichnet. Die schriftliche Dokumentation zur Tagung wird von der Stiftung Lesen erstellt.
Autorin: Ulrike Müller
Redaktionskontakt: schuster@dipf.de