Bericht

Gleiche Wertschätzung für alle Sprachen

14.06.2007

Zugewanderte Lesepatinnen lesen in Deutsch und in ihrer Muttersprache


Migrantinnen lesen in der Stadtbücherei Kamen
Migrantinnen lesen in der Stadtbücherei Kamen


Gleiche Wertschätzung für alle Sprachen ist das Ziel des Projekts “Lies mir vor, jetzt gleich” mit dem die RAA - Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien für mehr Toleranz wirbt. Migrantinnen wurden zu Lesepatinnen ausgebildet und lesen nun regelmäßig in Schulen, Kindergärten und Bibliotheken vor.

Jauchzen und gespannte Kinderaugen gab es am 29. November 2006 zu hauf in der Stadtbibliothek Kamen. Grund dafür war eine große Vorlesestunde, organisiert von der RAA. Für das vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützte Projekt „Lies mit vor, jetzt gleich“ hatte die stellvertretende Leiterin der RAA Kreis Unna, Anne Nikbin, im interkulturellen Frauengesprächskreis Migrantinnen gesucht, die gerne als Lesepatinnnen fungieren möchten. Schnell meldeten sich Frauen aus Bergkamen und Kamen, die die Kunst des Vorlesens erlernen wollten.

Vier Tage Lesetraining
In vier Tagen mit jeweils acht Unterrichtsstunden brachte die Lesetrainerin Karin Kotsch von Ko-Libri Unna den Frauen bei, dass neben der richtigen Betonung auch die Körperhaltung oder selbsterstellte Requisiten helfen können, die Aufmerksamkeit der Kinder zu gewinnen. Mit Hilfe von Video- und Tonaufnahmen konnten die Kursteilnehmerinnen Fehler selbst erkennen und so versuchen, eine möglichst kindsnahe Vorlesetechnik zu entwickeln. Ziel des Kurses war es, am Ende einem Publikum selbstständig ein Buch vorzulesen und die Kids dabei zu fesseln.

Vorlesen in zwei Sprachen
Was den Kleinen soviel Spaß machte, verlangte den Lesepatinnen anfangs noch Überwindung ab. Aber wer erst einmal auf dem Stuhl vor den vielen Zuhörern saß und seine Geschichte vortrug, verlor schnell die Nervosität. Die Geschichten wurden sowohl in Deutsch, als auch in der Muttersprache der Lesepatin vorgetragen, sodass die Kinder im Publikum eine Reise durch viele Länder machen konnten. Marokko, Afghanistan, die Türkei, Syrien, Polen, Russland und auch Deutschland standen auf ihrer Reiseroute. Auch wenn die Kleinen die Texte manchmal aufgrund der Sprache nicht verstehen konnten, so bekamen sie doch schnell die deutsche Übersetzung als Brücke zwischen den verschiedenen Kulturen geliefert. Doch bevor es mit der eigentlichen Geschichte losging, öffnete jede Patin eine selbstgebastelte Überraschungskiste, in der sich ein wichtiger Bestandteil der Geschichte befand, beispielsweise ein orientalisches Kleid. Außerdem unterstützten die Lesepatinnen ihre Stimme mit bunten Stabpuppen, die sie zuvor in dem Kurs gebastelt hatten. Diese dienten nicht nur dazu, die Phantasie der jungen Zuhörer zu unterstützen, sondern auch dazu, den Leserinnen Sicherheit zu geben.

Ausbildung multikultureller Lesepaten
Das wichtigste Ziel, das die RAA mit der Ausbildung multikultureller Lesepaten erreichen will, ist die gleiche Wertschätzung verschiedener Sprachen. Die Stadtbibliothek macht schon erste Schritte in diese Richtung, indem sie zweisprachige Kinderbücher anbietet, aus denen auch vorgelesen wurde. Momentan gibt es diese Bücher nur in türkisch/deutsch, aber in naher Zukunft auch in anderen Sprachen, hofft Anne Nikbin.
Am Ende des Tages bekamen 24 Frauen ihr offizielles Zertifikat überreicht, was sie nun als Lesepatin auszeichnet. Das wurde mit einem großen selbstgemachten Büffet gefeiert.

Als ausgebildete Lesepatinnen der Stadtbibliothek lesen die Frauen seit November 2006 regelmäßig in Schulen, Kindergärten und Bibliotheken vor. Auch das mulitkulturelle Fest "Tag der Muttersprache" wurde von ihnen mitgestaltet.

Der zweisprachige Rabe besuchte Berlin
Vom 13. bis 15.09.2007 hatten 10 Vorlesepatinnen mit Migrationshintergrund aus dem Kreis Unna Gelegenheit, Einblicke in die Arbeit einer Bundestagsabgeordneten und des Parlaments zu bekommen. Britta Haßelmann, B90/Die Grünen, hatte zu diesem 3-tägigen Berlinausflug eingeladen, der vom Bundespresseamt organisiert wurde.
Frau Haßelmann war von der Idee, Frauen mit Migrationshintergrund zu Vorlesepatinnen auszubilden, so begeistert, dass sie die Vorleserinnen gemeinsam mit 40 weiteren TeilnehmerInnen aus ihrem Wahlkreis Bielefeld nach Berlin einlud. Sie ermunterte die Frauen, das Projekt in anderen Städten bekannt zu machen.
Die Reise hat den TeilnehmerInnen sehr gefallen. Berlin wurde bei wunderbarem Wetter zu Fuß und auf der Spree erkundet und es gab viele Gelegenheiten, interessante Menschen kennenzulernen, die die Vorlesepatinnen ermunterten, ihre Arbeit fortzusetzen.

Vorlesepatinnen aus Unna zu Gast im Bundestag
Vorlesepatinnen aus Unna zu Gast im Bundestag

Weiterführung des Projektes
Das erfolgreiche Pilotprojekt aus dem Kreis Unna soll nun in Oberhausen und Gelsenkirchen in eine neue Runde starten.
Für 2008 ist geplant, in Berlin in Kooperation mit dem BLK Programm FÖRMIG, Migrantinnen zu Vorlesepatinnen auszubilden.

Autorin:
Karin Kotsch
Ko-Libri Unna


Redaktionskontakt: schuster@dipf.de