
„Achtung Aufnahme!“ |
12.04.2006 |
„König Fußball“ zu Gast auf der lit.kid.Cologne
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"Achtung Aufnahme!" |
“Wir hatten gemeinsam mit dem FC Köln die Idee, dass Kinder und Jugendliche einen kulturellen Beitrag zur Fußball-WM leisten“, erklärt Bettina Tronich die Hintergründe des Drehbuch-Wettbewerbs. Alle Fußballbegeisterten der Klassen fünf bis zehn wurden in den Sommerferien mit Flyern, Zeitungsinseraten, Plakaten oder Internet-Hinweisen dazu eingeladen, Geschichten über das Runde, das Eckige und die elf Freunde zu schreiben. “Wir hatten die Befürchtung, dass das Thema Fußball schnell eintönig wird“, erinnert sich Bettina Tronich. Sie wurde eines Besseren belehrt: Die Jury hatte schließlich die schwierige Aufgabe, unter den hundert verschiedenen Einsendungen die fünfzehn originellsten Ideen auszuwählen.
Die Gewinner wurden zu einem einwöchigen Seminar in den Räumlichkeiten des FC Köln eingeladen, um ihre Ideen gemeinsam mit erfahrenen Drehbuchautoren zu veredeln. Drei ausgewählte Drehbücher werden in Zusammenarbeit mit der internationalen Filmschule Köln verfilmt. Die Premiere der Kurzfilme ist für Ende Mai angesetzt. Dann werden sie in verschiedenen Programmkinos gezeigt und auf Großbildleinwänden in der Stadt übertragen, die auch die WM-Spiele zeigen werden. „Es war sehr schwer zu entscheiden, wer gewonnen hat“ sagt Bettina Tronich. Doch nicht die drei Gewinner stehen heute im Rampenlicht: Um die Vielfältigkeit der Ideen zu zeigen, haben die Organisatoren drei andere Geschichten für die Lesung ausgewählt.
Lesekompetenz als wichtiger Baustein
Im Saal der COLONIA stehen die Kinder schon auf der Bühne und gehen noch einmal ihren Auftritt durch. Sie tuscheln und hin und wieder erklingt ein helles Lachen, das im leeren Saal widerhallt. Sie haben sich um einen langen Tisch versammelt, auf dem Mikrofone und Wasserflaschen wie bei einer Fußball-Pressekonferenz Spalier stehen. Das bunte Banner mit dem Logo der WM-Stadt Köln hängt als Blickfang im Hintergrund. Nervös sind die jungen Drehbuchautoren nicht. „Auf dem Hinweg war ich aufgeregt, aber ich glaube, dass wir alles hinkriegen“, sagt Marie Lenders.
Die Achtklässlerin führt gemeinsam mit ihrer Freundin Henrietta Brakelmann durch das Programm. Beiden lesen auch aus ihrem Drehbuch „Wie der Fußball so spielt“ und eröffnen damit den Nachmittag in der COLONIA. „Dabei hatten wir uns eigentlich gar keine Hoffnung mehr gemacht“, erinnert sich Henrietta. „Aber dann kam der Brief mit der Einladung und alles war gut.“
Beim Drehbuchseminar hat sie viel Spaß gehabt, und bei der Führung durch das Rhein-Energie Stadion dufte sie in der Umkleide sogar auf dem Platz von Lukas Podolski sitzen. Ein ungewohntes Bild im Allerheiligsten der Fußball-Profis, denn die Gruppe der Gewinner bestand zu zwei Dritteln aus Mädchen.
„Ganz uninteressiert sind wir jetzt auch nicht“ sagt Maria. Sie schaut sich zuhause gerne die Sportschau an. „Ich kriege auch viel von meinem Bruder mit. Der ist begeisterter FC Bayern-Fan und hat sein Zimmer mit Postern volltapeziert.“ „Wir schreiben einfach gerne“, ergänzt Henrietta. Für die Jungen sei Fußball eher interessant, wenn sie selber spielten und die Mädchen hätten mehr Lust sich hinzusetzen und zu schreiben, bestätigt Bettina Tronich. „Es gibt aber auch einige Jungen, die gewonnen haben und heute aus ihrem Drehbuch vorlesen.“
Und die Kinder lesen gerne. “Wenn man viel liest, lernt man auch mit den ganzen Ausdrücken besser umzugehen“ sagt Henrietta. „Von Büchern, die gut geschrieben sind, guckt man sich auch ein bisschen was ab. Wenn man viel liest ist man wortgewandter“. „Lesen ist schon sehr wichtig“ bestätigt Maria – und nicht nur für das Schreiben von Drehbüchern unabdingbar. Für Bettina Tronich ist Lesen ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der Medienkompetenz. Lesen sei eine wichtige Vorraussetzung, um sich in der Mediengesellschaft zurecht zu finden.
Wie der Fußball so spielt
Nach und nach füllt sich der geräumige Saal. Erwachsene und jugendliche Besucher setzen sich gruppenweise zusammen und unterhalten sich leise. Der Geräuschpegel steigt zunehmend, dann verlöschen langsam die Lichter im Saal. Nur die zwei Deckenscheinwerfer erhellen noch das Banner mit dem WM-Logo. „Am besten geht ihr schon mal auf die Bühne, dann geht auch das Licht an“, flüstert Bettina Tronich den beiden jungen Moderatorinnen zu. Die beiden Mädchen erklimmen die Treppenstufen und treten unter Applaus aus den Zuschauerreihen auf die Bühne. Licht aus, Spot an. Die Reise in die wunderbare Welt des Fußballs beginnt.
„Vom Feeling her hatten wir ein gutes Gefühl“ sagen die beiden über ihr Drehbuch, obwohl sie eigentlich erst eine Geschichte über Mailand oder Madrid schreiben wollten. „Hauptsache Spanien“, erklären die beiden und zitieren die Fußballerweisheiten Andi Möllers. Unter Applaus betreten dann die Sprecher des Drehbuchs die Bühne. Henrietta und Marie schlüpfen in die Rolle der Erzähler und beginnen mit der Geschichte von Lukas Steonbeck, seines Zeichens erfolgloser Fußballer. Er quält sich zum Training und malt eigentlich lieber Comics. Kein Wunder also, dass er beim entscheidenden Spiel seines Vereins um den Aufstieg nur auf der Bank sitzt und sich den Spott seiner Mannschaftskollegen gefallen lassen muss. Vor allem der überhebliche Kapitän Georg macht Lukas das Leben schwer.
Zu allem Überfluss verfolgt Lukas’ Schwarm Maija das Spiel. Sie stempelt ihn prompt als Verlierer ab und wirft sich stattdessen Georg an den Hals. Frustriert erklärt Lukas seinem Trainer, dass er die Fußballschuhe an den Nagel hängen will. Dieser reagiert jedoch anders als erwartet und macht Lukas aufgrund seiner wertvollen, taktischen Tipps zum Co-Trainer. Seine Mitspieler freuen sich mit ihm, und kurze Zeit später ist er glücklich mit einem Mädchen aus seiner Klasse liiert – „Wie der Fußball so spielt“ eben. Zu Beginn sind die jungen Sprecherinnen und Sprecher noch etwas nervös, doch sie finden sich schnell in ihre Texte ein und gehen in ihren Rollen auf. Das Publikum applaudiert.
Direkt im Anschluss folgt das zweite Drehbuch. „Die unzertrennlichen J’s“, Joe und Jerón, haben ihren Auftritt und ermitteln in Sachen Lukas Podolski. Der beliebte Stürmer des FC wurde entführt und nun werden zehn Millionen Euro Lösegeld vom Verein gefordert. Die beiden Jung-Detektive verfolgen den Kölner Trainer Hanspeter Latour bei der Lösegeldübergabe in den Kölner Dom. Dort heften sie sich an die Fersen von zwei dunklen Gestalten und kommen so auf die Spur des Entführten. Schließlich können sie den Fall gemeinsam mit Kommissar Jansen aufklären. Der unterhaltsame Krimi aus der Feder von Clemens Andreas Jox und Fabián Alberto Schlechtringer Terrón sorgt für einige Lacher im Publikum. Besonders der Sprecher von Lukas Podolski überzeugt. Er liest stilecht im Podolski-Trikot mit der Nummer zehn und gefällt durch seine laute Interpretation des Fußballer-Slangs. Nach der Auflösung des Fußball-Krimis werden die Sprecher mit Applaus belohnt und in eine fünfzehnminütige Pause entlassen.
Wie kommt der Geißbock ins Stadion?
Während die Techniker der COMEDIA einen kurzen Soundcheck durchführen, kühlen sich die Kinder nach ihrer hitzigen Lesung bei einem Eis ab und versammeln sich am Bühnenaufgang. Bis jetzt läuft alles nach Plan. „Das habt ihr klasse gemacht, super!“, lobt Bettina Tronich ihr Leseteam. Dann ist die Pause auch schon vorbei, und die beiden Moderatorinnen erklimmen erneut die Bühne.
In der Geschichte „Maskottchen für den Prinzen“ von Agnes Frey schmuggeln die vier Freunde Tobias, Mona, Felix und Isabelle den Geißbock Amadeus zum Spiel Deutschland gegen Brasilien ins Stadion, um Lukas Podolski zu unterstützen. Denn Hennes der Geißbock, Maskottchen des FC und Glücksbringer von „Prinz Poldi“, darf beim Länderspiel nicht dabei sein. Die einfallsreichen Kinder treffen unterwegs auf Team-Manager Oliver Bierhoff und auch die Stars Michael Ballack und Bastian Schweinsteiger sind mit von der Partie. Schließlich gewinnt die deutsche Elf 2:1 gegen Brasilien, und die Kinder feiern mit ihren Idolen.
Nachdem der Applaus verklungen ist, bedankt sich Bettina Tronich bei den Zuhörern. „Ich hoffe, das hat euch inspiriert, auch selber mal ein Drehbuch zu schreiben.“ Während sich die Erwachsenen schon erheben und ihre Mäntel anziehen, erhalten die jungen Drehbuchschreiber nicht nur ihr verdientes Lob, sondern auch Eintrittskarten für das kommende Heimspiel des FC Köln. Die Freude ist groß, und auch die Organisatorinnen sind zufrieden. „Ich hoffe, das wir nächstes Jahr auch wieder mit einem spannenden Projekt dabei sind“, blickt Bettina Tronich nach vorne: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
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