
Großer Tisch für große Pläne |
27.12.2005 |
Leseförderer in Deutschland streben vernetztes Vorgehen und gemeinsame Konzeptentwicklung an
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Ausschnitt des "Roundtable-Logos" der Stiftung Lesen |
Auf der Basis einer Bestandsaufnahme der bundesweiten Projektarbeit, die von der Stiftung Lesen vorgenommen worden war, ging es bei der Mainzer Konferenz vor allem um künftige Aufgaben und neue Herausforderungen der Förderung von Lesemotivation und Lesekompetenz, also um den „Blick nach vorn“. Zu Beginn des Round Table präsentierte Herr Kleinebrink von der Stiftung Lesen seine Bestandsaufnahme von Leseförderungsprojekten in Deutschland. Informationsquellen waren insbesondere die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Round Table, das Portal „Lesen in Deutschland“ und dessen Länderportraits sowie eine ergänzende Internet-Recherche. Er bilanzierte insgesamt 327 Leseförderungsprojekte in Deutschland, von denen rund 30 Prozent eine bundesweite und 70 Prozent eine regionale Reichweite haben und kategorisierte sie in insgesamt 18 Angebotstypen. Sie reichen von Leseaktionen und Bücherfesten über Fortbildungen für Multiplikatoren, Infos/Arbeitshilfen, Leseförderungsaktivitäten von Schulbibliotheken und Öffentlichen Bibliotheken bis hin zu Schreibwerkstätten und Autorenbegegnungen. Unter die Lupe genommen wurden auch die Zielgruppen der verschiedenen Projekte. Sein Fazit: Leseförderung in Deutschland sei derzeit in der Hauptsache Vermittlungsförderung, denn die häufigsten Angebote seien solche für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Leseförderung. Problematisch aus seiner Sicht sei der Befund, dass der Bereich der praktischen Leseförderung in Kindergarten und Vorschule weit abgeschlagen sei. Zur Sprache kam in der anschließenden Diskussion unter anderem der methodische Ansatz der Studie. Es wurde konstatiert, dass eine solche quantitative Auswertung - welche Art Projekte gibt es in welcher Anzahl für welche Zielgruppen - zwar interessant sei, aber keine Aussage zur Reichweite von Leseförderungsprojekten machen könne. Wie viele Personen mit welchem Effekt von welchen spezifischen Angeboten erreicht werden, bleibe weiterhin eine offene Frage.
Elf Länder hatten Vertreterinnen und Vertreter zum Runden Tisch nach Mainz geschickt (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Thüringen). Vertreten war durch Andreas Paetz auch das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF). Sowohl der Börsenverein des deutschen Buchhandels als auch die Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage, der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger sowie der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und die Stiftung Presse Grosso zeigten Präsenz. Bekannte Institutionen wie der Friedrich-Bödecker-Kreis, der Borromäusverein, der Deutscher Bibliotheksverband sowie die Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der GEW und der Arbeitskreis für Jugendliteratur saßen zusammen mit kleinen, aber für die Leseförderung wichtigen Institutionen wie „LesArt“ und „Lesewelt“ (Berlin) oder „Akademie für Leseförderung“ (Hannover) am Tisch - gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Leseförderung und Medienpädagogik. Vertreten waren u.a. Prof. Dr. Stefan Aufenanger vom Institut für Pädagogik der Universität Mainz, Prof. Dr. Hans-Heino Ewers vom Institut für Jugendbuchforschung der Universität Frankfurt am Main, Prof. Dr. Winfred Kaminski von der Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Literatur NRW, Prof. Susanne Krüger vom IFAK-Institut für angewandte Kindermedienforschung in Stuttgart sowie Prof. Dr. Karin Richter vom Institut für Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung der Universität Erfurt.
"Wohin die Reise geht - Adressaten und Konzepte der Leseförderung für die nächsten Jahre"
Unter der Überschrift „Wohin die Reise geht - Adressaten und Konzepte der Leseförderung für die nächsten Jahre“ wurden an den beiden Tagen viele wichtige Aspekte angesprochen. Im erstmals versammelten großen Kreis der Leseförderer in Deutschland konnten sie lediglich angerissen werden. Ihre vertiefte Behandlung, im Rahmen von Workshops, bleibt dem nächsten Round Table vorbehalten. Die zentrale Frage „Wen müssen wir erreichen - und wie?“ fand in der Runde viel Aufmerksamkeit und die jeweiligen Antworten, die sich insbesondere mit der Zielgruppe der Eltern beschäftigten, machten sowohl auf Handlungs-, als auch Klärungsbedarf aufmerksam und wiesen auf bereits existierende gute Beispiele im nationalen und internationalen Bereich hin. Intensiv diskutiert wurden Fragen nach der Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Leseförderung sowie nach Aktionen für und mit Jugendlichen, um dem Leseknick in der Pubertät entgegenzuwirken. Auf die Tagesordnung künftiger Runder Tische gehört aus Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die wichtige Frage nach geeigneten Ansätzen zur Sprach- und Leseförderung bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund, die kurz diskutiert werden konnte. Welchen Stellenwert Bildmedien, Computer und Internet in der Leseförderung haben und die Frage nach Lesekompetenz als Teil einer umfassenden Medienkompetenz war ebenfalls Gegenstand intensiven fachlichen Austausches.
Festzuhalten ist: Der große runde Tisch in Mainz war ein vielversprechender Anfang. Eine Fortsetzung des Round Table, der künftig auch Workshop-Elemente enthalten sollten, ist sinnvoll und nötig. Die im Rahmen der Mainzer Fachtagung begonnenen Bemühungen der Leseförderer in Deutschland - Institutionen und Initiativen - um ein vernetztes Vorgehen und eine gemeinsame Konzeptentwicklung bedürfen eines Rahmens. Der kann allerdings ohne Unterstützung Dritter nicht gewährleistet werden. Da jedoch die bildungspolitisch Verantwortlichen Leseförderung als wichtige Aufgabe erkannt haben, wird dieser Round Table in Mainz sicherlich nicht der letzte gewesen sein.
Autorin: Ulrike Müller
Redaktionskontakt: redaktion@lesen-in-deutschland.de