Bericht

Lesenlernen mit FiLBY dem Luchs

15.11.2022

Ein dreistufiges Leseprojekt für Grundschüler*innen




FilBY Lesetraining
FilBY Lesetraining
©ISB Bayern
Hören, Murmeln, gemeinsam laut Lesen – so könnte man das Einstiegsmodul von FiLBY, einem Projekt zur systematischen und langfristigen Leseförderung von Grundschüler*innen, beschreiben. Ausgerüstet mit zahlreichen Lese- und Hörquellen und einem Stift zur Orientierung im Text, erlernen Grundschüler*innen aus Bayern anhand spannender Kinderbücher und lehrreicher Sachtexte zu vielfältigen Themen aus ihrer Lebenswelt, basale Fähigkeiten des Lesens, des Leseverstehens und der eigenen Gestaltung von Leseprozessen. Begleitet werden die Kinder von dem kleinen Luchs FiLBY, der ihnen mit Tipps tatkräftig zur Seite steht und sie während des dreijährigen Leselehrgangs kontinuierlich unterstützt.

Die Entwicklung der Fachintegrierten Leseförderung Bayern
Die Fachintegrierte Leseförderung Bayern (FiLBY) ist im Schuljahr 2018/19 als ein dreistufiges Pilotprojekt der Leseförderung entstanden und wurde aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse, die die wissenschaftliche Begleitstudie hervorbrachte, verstetigt. Das Pilotprojekt entstand durch eine Kooperative des Lehrstuhls für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur der Universität Regensburg mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dem Arbeitskreis Lesen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) sowie dem Bayerischen Rundfunk. Es hat zum Ziel, Defizite beim Lesen frühzeitig zu erkennen und den Erwerb grundlegender Lesekompetenzen von der Grundschule an zu fördern. Das Bundesland Bayern ist zwar laut des aktuellen Ländervergleichs des IQB-Bildungstrends nach wie vor Spitzenreiter im Bereich des Lesens, doch auch dort erreichen mehr als 12 Prozent der Schüler*innen am Ende der Jahrgangsstufe 4 das durchschnittliche Leseniveau nicht, weitere 8 Prozent nicht einmal den Mindeststandard. Zudem besteht im Bereich der Lesekompetenz ein deutlicher Leistungsvorsprung der Mädchen gegenüber den Jungen.
Ausgehend von diesem ernstzunehmenden Bildungstrend entwickelte das Projektteam von FiLBY ein über drei Jahre angelegtes Lesetraining, welches Material zur Förderung der Lesekompetenz für die Jahrgangsstufen 2 bis 4 zur Verfügung stellt und Grundschullehrkräfte entsprechend weiterbildet. FiLBY orientiert sich dabei an einschlägigen Lesekompetenzmodellen: Diese gehen davon aus, dass beim Lesen sogenannte Bottom-up- und Top-down-Prozesse zusammenwirken und dass für die Aneignung von Lesekompetenz zunächst basale Lesekompetenzen entwickelt werden müssen, bevor vertiefende Fähigkeiten wie das Durchdringen eines Textes mit Hilfe von Lesestrategien erlernt werden sollten. Eine Brücke des „Leseverstehens“ bildet dabei die Leseflüssigkeit – fluency – die während des Einstiegsmoduls FiLBY-2 fokussiert wird.

Projektstart und Reichweite
FiLBY startete im Schuljahr 2018/19 zunächst in der zweiten Jahrgangsstufe. Es wurde angestrebt, die Schüler*innen des ersten Projektjahres bis zum Ende ihrer Grundschulzeit zu begleiten, um den Erfolg des Leseprojekts zu evaluieren und den teilnehmenden Klassen zugleich Lernfortschritte individuell rückzumelden. Bereits im ersten Projektjahr nahmen 890 Schulen mit über 2.000 Klassen und über 50.000 Zweitklässler*innen teil. Aufgrund der temporären Verlagerung des Unterrichts ins Digitale und anderen Reaktionen auf die Covid-19-Pandemie, musste der erste Projektdurchlauf von FiLBY jedoch unterbrochen werden. Da es vielen Klassen nicht mehr möglich war, das Lesetraining nach dem FiLBY-Modell durchzuführen, kann auch die wissenschaftliche Begleitstudie der Deutschdidaktik in Kooperation mit der Professur für „Methoden der empirischen Bildungsforschung“ nur begrenzt gültige Aussagen über den Erfolg des Projekts treffen. Dies wird nun durch eine Nacherhebung in dritten und vierten Klassen im Zeitraum 2021/22 bis 2022/23 nachgeholt.

Wie ist das FiLBY-Training aufgebaut?
Bei FiLBY entsprechen die einzelnen Projektetappen (Module 2-4) den Jahrgangsstufen der Schüler*innen. Sie rücken jeweils unterschiedliche Kompetenzfacetten des Lesens in den Fokus, die langfristig die Aneignung einer fundierten Lesekompetenz fördern sollen.
Ziel von FiLBY-2 ist die Förderung der Leseflüssigkeit und die Automatisierung basaler Leseprozesse. Die Zweitklässler*innen trainieren zunächst das Lesen mit begleitenden und unterstützenden Hörtexten, die von einer ausgebildeten Sprecherin des Bayerischen Rundfunks in drei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten eingesprochen wurden. Daran schließt sich das Modul FiLBY-3 an, welches den Erwerb und die Anwendung dreier effektiver Lesestrategien des Leseverstehens fokussiert. Mit Hilfe von Visualisierungsstrategien lernen Drittklässler*innen zentrale Inhalte eines Textes zusammen zufassen und zu präsentieren. Das Projekt wird durch das Modul FiLBY-4 abgerundet. Hier lernen Viertklässler*innen Lesestrategien mit metakognitiven Strategien zu kombinieren und ihren Leseprozess langfristig zu planen (Training des selbstregulierten Lesens).
FiLBY kommt sowohl im Rahmen des regulären Deutschunterrichts als auch im Fachunterricht zur Anwendung. Für die Jahrgangsstufen 2 bis 4 stehen den Lehrkräften jeweils um die 70 Texte aus dem Heimat- und Sachunterricht und des Mathematikunterrichts zur Verfügung, welche einerseits auf Wissensvermittlung und andererseits auf das Lesen von Fachtexten zugeschnitten sind. In allen Projektetappen wird zunächst eine Klassenlektüre in Form eines Kinderbuchs gelesen (erstes Schulhalbjahr) und anschließend mit spannenden und motivierenden Sachtexten gearbeitet (zweites Schulhalbjahr).

FiLBY-2: Lesetraining mit Audioquellen
Während der ersten Leseetappe werden die Zweitklässler*innen noch von einer Audiospur begleitet. Das Modell „Hören, Murmeln, gemeinsam laut Lesen“ ist dabei folgendermaßen aufgebaut:
Schritt 1: Die Schüler*innen lesen den Text still und hören gleichzeitig das Audio. Dadurch sollen sie mit dem Text vertraut werden und lernen, schwierige Wörter zu entschlüsseln.
Schritt 2: Die Kinder lesen denselben Text noch einmal, wieder läuft das Audio. Diesmal lesen die Kinder und flüsternd mit.
Schritt 3: Das Audio entfällt, die Kinder lesen eigenständig. Dazu gehen sie paarweise zusammen: Partner*in A liest und Partner*in B liest mit, unterstützt, lobt und korrigiert. Nach der Hälfte des Textes tauschen sie ihre Rollen.

Lernlücken schließen – Lesetraining mit FiLBY nach der Covid-19-Pandemie
Die Einschränkungen und Umstellungen der Lehre und des Lernens durch die Covid-19-Pandemie wirken sich nachhaltig auf die Schullaufbahn von Kindern aus. Gerade strukturelle Differenzierungseffekte wurden durch den Distanzunterricht verstärkt und die Kompetenzspanne innerhalb einer Schulklasse deutlich vergrößert. Im Sinne der Chancengleichheit und der Bildungsgerechtigkeit für alle Schüler*innen hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus das an FiLBY angelehnte Förderprogramm „gemeinsam.Brücken.bauen“ initiiert, um pandemiebedingte Nachteile für Schüler*innen im Schuljahr 2022/23 auszugleichen.

Materialien und Ressourcen
Informations- und Lehrmaterial des kleinen Luchs FiLBY kann man online auf der Website des Projekts und – als angemeldete Klasse – über die Fortbildungsplattform von FiLBY abrufen. Informationen zur Anmeldung und Teilnahme erhalten Lehrkräfte über ein kultusministerielles Schreiben, welches alle Schulleitungen in Bayern erhalten haben.
Einen ersten Eindruck sowie exemplarische Texte und Audiodateien für die Jahrgangsstufen 2, 3 und 4 können über die drei Projektetappen FiLBY-2, FiLBY-3 und FiLBY-4 eingesehen werden. Laut des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sollen die Materialien spätestens ab dem Schuljahr 2023/24 ebenfalls auf der Website lesen.bayern frei verfügbar sein. Viele Texte und Hefte stehen mittlerweile auch als E-Books zur Verfügung.
Interessierte Lehrkräfte und Lesebegleiter*innen können an einem Selbstlernkurs teilnehmen und auf diese Weise selbst zu Expert*innen und Multiplikator*innen von FiLBY werden.

Autorin: Marah Frech

Redaktionskontakt: anda@dipf.de