Leseempfehlung

Wer wir sind und woher wir kommen... Mythen in der Kinder- und Jugendliteratur

19.11.2018

kjl&m - forschung.schule.bibliothek - Heft 18.4




Titelseite kjl&m 18.4 *
Titelseite kjl&m 18.4 *
© kopäd Verlag
Wie keine andere literarische Gattung spannt der Mythos einen Bogen zu den Anfängen. Er erzählt Menschheitsgeschichte in der Form der Menschheitsgeschichten. In Mythen wird Ursprung berichtet, Herkunft im elementarsten Sinne geklärt und Sinnhaftigkeit begründet. Deshalb sind mythische Texte hochgradig relevant für die Identitätsbildung von Menschen, sei es in religiöser, kultureller oder ethnischer Hinsicht.
Dabei kommen die alten Texte oft archaisch und ungeschlacht daher, roh nehmen sie kein Blatt vor den Mund und das Tabu kennen sie nicht. Umso mehr mag es verwundern, dass sich Mythen auch in der Gegenwart einer ungebrochenen Popularität erfreuen. Es erscheint sogar fast so, als ob die modernen literarisch-medialen Formate eine besondere Affinität zu den Mythen als narrativem Stoff aufweisen würden. So zeigt sich der Mythos heute als vielgestaltiges literarisches Material. In den Medien für Kinder und Jugendliche kommen mythologische Texte und Bezüge vielfältig und häufig vor.
Das vorliegende Themenheft der Zeitschrift kjl&m, herausgegeben von der AG Jugendliteratur und Medien (AJuM) der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), versucht dieses Spektrum zwischen traditionellen Formen und modernen Adaptionen und Einflüssen zu thematisieren. Im Basisbeitrag verortet Michael Stierstorfer aktuelle Mythen und Mythenadaptionen in den vielfältigen Sparten der Kinder- und Jugendliteratur. Mythen werden als populärer Stoff sichtbar, auf den explizit und implizit referiert wird. Den Anfängen der Mythen als Lesestoff für Kinder geht Wolfgang Wangerin nach. Dabei entdeckt er Ambivalenzen in der Bewertung des pädagogischen Potenzials der Mythen. Eva Maria Kohl wendet sich den Mythenadaptionen von Franz Fühmann zu. Hier geraten auch die Bildwelten der verschiedenen Ausgaben des Prometheus in den Fokus. Markus Janka schließlich thematisiert die aktuellen Phänomene der Ovid-Adaption.
Laura Zinn betrachtet Mythenadaptionen unter dem Gesichtspunkt der Genderkonstruktionen und Geschlechterstereotypisierungen, die in den Texten aufgegriffen und verarbeitet werden. Tobias Kurwinkel hingegen untersucht, wie sich ein bekannter Mythenstoff durch verschiedene aktuelle kinderliterarische Schriften verfolgen lässt und sogar zum Leitmotiv eines Autors wird. Abgerundet wird der Themenschwerpunkt von drei Beiträgen, die auch eine didaktische Perspektive eröffnen. Mario Zehe untersucht das Genre der Superhelden-Comics im Spannungsfeld von Mythisierung und Politisierung und leitet daraus auch pädagogische Überlegungen ab. Marion Ziesmer zeigt, wie das Nibelungenlied in der szenisch-performativen Verarbeitung erschlossen werden kann und dabei auch sprachliche Grenzen überwindet. Bei Alexandra Ritter findet sich ein Vorschlag für die produktive Erarbeitung eigener Schöpfungsmythen mit sprachspielerischem Charakter, der bereits für jüngere Kinder zugänglich ist. Jennifer Brand stellt abschließend die Mythos-Bibliothek der Georg-August-Universität Göttingen als eine besondere Sammlung historischer Texte vor.
Im Spektrum finden sich schließlich ein Interview mit Kurt Franz und ein Aufsatz von Angelika Nix, der ein dichtes intertextuelles Referenznetz innerhalb der skandinavischen Kinder- und Jugendliteratur thematisiert.
Michael Ritter

* Coverabbildung: Angela Hampel (Ill.) in Franz Fühmann: Prometheus
© Edition Büchergilde: Frankfurt/ M., 2004, 112.

Inhaltsverzeichnis kjl&m 18.4

Wer wir sind und woher wir kommen... Mythen in der Kinder- und Jugendliteratur

Michael Stierstorfer: Mythen und Mythenadaptionen in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur

Wolfgang Wangerin: „Kostbare Überbleibsel des Alterthums“ oder „dummes Geschwätz“. Wie Bücher für junge Leser im 18. Jahrhundert mit der antiken Mythologie umgehen

Eva Maria Kohl: Das Uralte und ewig Neue. Zum Prometheus-Buch von Franz Fühmann

Markus Janka: Naso magister vivus. Ovidrezeption in aktuellen Kinder- und Jugendmedien

Laura Zinn: Intelligente Heldinnen – starke Halbgötter? Der Umgang mit Geschlechterstereotypen in gegenwärtigen Mythenadaptionen für Kinder und Jugendliche

Tobias Kurwinkel: Mythisches, Allzumythisches: Orpheus und Eurydice in der erzählenden Kinder- und Jugendliteratur

Mario Zehe: Politisches Statement. Superheld*innen zwischen Mythisierung und Politisierung in Comicserien und Graphic Novels

Marion Ziesmer: Die Siegfriedfigur im aktuellen Deutschunterricht – Durchhaltesymbol, Drachentöter, Draufgänger und didaktische Delikatesse

Alexandra Ritter: Am Anfang... – Schöpfungsgeschichten schreiben

Jennifer Brand: Die Mythos-Bibliothek der Georg-August-Universität Göttingen: Aufarbeitung Jahrtausendealter Mythen


SPEKTRUM

Kurz gefragt. Interview mit Kurt Franz

Angelika Nix: „Wie weit ist es bis Nangijala?“ Mikael Engströms Roman Ihr kriegt mich nicht! im Dialog mit Astrid Lindgrens Die Brüder Löwenherz


FACHLITERATUR

Ansari, Christine (Hg.): Adoleszenz in Medienkontexten. Literaturrezeption, Medienwirkung
und Jugendmedienschutz. Frankfurt/M. [u. a.]: Peter Lang, 2016 (Kinder- und Jugendkultur, -literatur, und -medien. Theorie – Geschichte – Didaktik; 102). 256 S., € 48,95.
Rezensiert von: Matthias Preis (Universität Bielefeld)

Preindl, Nadia: Russische Kinderliteratur im europäischen Exil der Zwischenkriegszeit. Frankfurt/M. [u. a.]: Peter Lang, 2016 (Russian Culture in Europe; 11). 278 S. Zugl. Wien, Univ., Diss., 2014, € 62,95.
Rezensiert von: Caroline Roeder (PH Ludwigsburg)

Grosser, Sabine/Köller, Katharina/ Vorst, Claudia (Hgg.): Ästhetische Erfahrungen.
Theoretische Konzepte und empirische Befunde zur kulturellen Bildung. Frankfurt/M.: Peter Lang, 2017 (Studien zur Germanistik und Anglistik; 22). 234 S., € 51,95.
Rezensiert von: Carolin Obermeier (Universität Bielefeld)

Wrobel, Dieter/Mikota, Jana (Hgg.): Flucht-Literatur: Texte für den Unterricht. Bd. 1: Primarstufe und Sekundarstufe I. Bd. 2.: Sekundarstufe I und II. Baltmannsweiler: Schneider, 2017. 206 S., je € 19,80.
Rezensiert von: Dr. Julian Kanning (Universität Paderborn)


AKTUELL

Aus der AJuM und der GEW


Bestellung unter: www.kopaed.de/kopaedshop/?pg=3_29&qt=26&pid=1162


kjl&m forschung.schule.bibliothek
Die Zeitschrift „kjl&m forschung.schule.bibliothek“, bis 2007 „Beiträge Jugendliteratur und Medien“, wird herausgegeben von der AG Jugendliteratur und Medien (AJuM) der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und erscheint im kopäd Verlag. Die Redaktion bilden die KJL-Expertinnen und -Experten Prof. Dr. Petra Josting (Bielefeld), Prof. Dr. Julia Benner (Berlin), Prof. Dr. Michael Ritter (Halle) und Dr. Sebastian Schmideler (Leipzig).
Inhaltliche Schwerpunkte von kjl&m sind:

  • Kinder- und Jugendliteratur in Schule und Bibliothek
  • Forschung zur Kinder- und Jugendliteratur
  • Medienpädagogische und literaturdidaktische Ansätze
  • Arbeit in Schulbibliotheken und Zusammenarbeit von öffentlichen Bibliotheken und Schulen
Jede der vierteljährlich erscheinenden Ausgaben hat einen Themenschwerpunkt und bietet darüber hinaus in der Rubrik „Spektrum“ Beiträge zu weiteren Themen an. Eine Sammelrezension von Kinder- und Jugendliteratur, Rezensionen von Fachliteratur und Beiträge zum Thema Unterricht sowie Berichte und Hinweise rund um KJL bieten allen, die sich professionell mit Kinder- und Jugendliteratur beschäftigen, umfassende Information und Anregungen für die Praxis.
Zusätzlich zu den 4 Ausgaben erscheint jährlich eine umfangreichere Sonderausgabe kjl&m extra. Diese wird den AbonnentInnen außerhalb des Abos zu einem ermäßigten Preis mit Rückgaberecht geliefert.
Weitere Informationen: www.kopaed.de


Kontakt:
AJuM der GEW
c/o Ulrich H. Baselau
Osterstr. 30
26409 Wittmund
E-Mail: ulrich.baselau@ajum.de
Tel.: (04462) 943611
www.ajum.de
Redaktionskontakt: schuster@dipf.de