Bericht

Ergebnisse aus IGLU 2016

08.12.2017

Lesekompetenzen von Grundschulkindern




Titelseite des Berichts
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© Waxmann
Am 5. Dezember 2017 wurden in Berlin die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU, an der sich Deutschland zum vierten Mal beteiligt hat, vorgestellt. Die Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland erreichen einen Leistungsmittelwert im Lesen von 537 Punkten und liegen damit im unteren Mittelfeld der Rangreihe der teilnehmenden 47 Staaten und Regionen. Auf der Basis der Befunde der IGLU-Studien 2001, 2006, 2011 und 2016 empfehlen die Autorinnen und Autoren, Maßnahmen der Sprachförderung im schulischen und vorschulischen Bereich zu intensivieren und die sprachliche Bildung als Querschnittsaufgabe aller Schulfächer - auch noch in der Sekundarstufe I - in den Unterricht zu integrieren. Neben der gezielten Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, sollten auch lesestarke Schülerinnen und Schüler gezielt gefördert werden. Dafür brauchen Lehrkräfte spezielle didaktische und diagnostische Kompetenzen, die verstärkt im Lehramtsstudium und in der Fortbildung vermittelt werden müssen.
Wir veröffentlichen nachfolgend Auszüge aus der Handreichung zur Pressekonferenz am 5.12.2017. Die vollständige Handreichung mit vielen Abbildungen und Tabellen steht zum Download zur Verfügung unter www.ifs.tu-dortmund.de.

Einführung in die Studie
Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung/Progress in International Reading Literacy Study (IGLU/PIRLS 2016) erfasst unter Berücksichtigung curricularer Vorgaben und zentraler Rahmenbedingungen schulischer Lernumgebungen das Leseverständnis von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe. Die Studie wird von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) verantwortet und seit 2001 alle fünf Jahre durchgeführt, um in regelmäßigen Abständen Bestandsaufnahmen zur Qualität lesebezogener Bildung im internationalen Vergleich vorzunehmen und Entwicklungen in den teilnehmenden Bildungssystemen langfristig zu dokumentieren.

Das internationale Management der Studie wurde von der IEA an das TIMSS & PIRLS International Study Center (ISC) am Boston College, USA, unter der Leitung von Professorin Dr. Ina V. S. Mullis und Professor Dr. Michael O. Martin übertragen. Die internationale Studienleitung kooperiert mit Statistics Canada in Ottawa und der IEA Hamburg.
In allen Teilnehmerstaaten und -regionen von IGLU 2016 sind nationale Projektkoordinatoren (National Research Coordinators, NRC) für die Vorbereitung und Durchführung der Studie gemäß den international vorgegebenen Richtlinien verantwortlich. In Deutschland wurde mit dieser Aufgabe Prof. Dr. Wilfried Bos am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Technischen Universität Dortmund betraut. Diese Aufgabe hat er gemeinsam mit Frau Dr. Heike Wendt, ebenfalls am IFS, wahrgenommen.

Für die Analyse der Studienergebnisse und die Berichtslegung in Deutschland ist ein nationales Konsortium unter Federführung des IFS verantwortlich. Es ist mit einschlägig ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Bereiche Deutschdidaktik in der Grundschule sowie für die Bereiche der international-vergleichenden Schulleistungsforschung und des Large-Scale-Assessments besetzt.
Die Durchführung der Studie in Deutschland wird zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) finanziert.

An IGLU nahmen weltweit 47 Staaten und Regionen sowie 10 Benchmark-Teilnehmer mit mehr als 312 500 Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe teil. Darunter sind 24 Staaten Mitglieder der Europäischen Union (EU), 28 Staaten gehören der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) an.
IGLU wird alle fünf Jahre durchgeführt. Deutschland hat sich auf Beschluss der KMK und in Vereinbarung mit dem BMBF an allen Erhebungen in den Jahren 2001, 2006, 2011 und 2016 beteiligt.
Damit ist die Möglichkeit gegeben, die Entwicklungen von Lesekompetenzen von Grundschulkindern über einen Zeitraum von 15 Jahren zu untersuchen. Ein Vergleich dieser Entwicklungen ist mit 24 der teilnehmenden Staaten und Regionen sowie 3 Benchmark-Teilnehmern möglich.

Lesekompetenz in IGLU
Der Erfassung von Lesekompetenz in IGLU liegt ein Rahmenkonzept zugrunde, das auf Theorien basiert, die das Lesen als konstruktiv-interaktiven Prozess begreifen. Textverständnis wird als ein informationsverarbeitender Prozess aufgefasst, bei dem Lesende die im Text enthaltenen Informationen mittels Lesestrategien und Verarbeitungsprozessen aktiv mit ihrem Vor- und Weltwissen zusammenführen und eine mentale Repräsentation des Gelesenen konstruieren. Das Rahmenkonzept differenziert Prozesse des Leseverstehens und lesebezogene Einstellungen und Gewohnheiten der Lesenden.

Sach- und Erzähltexte
Mit der Darbietung unterschiedlicher Textformen werden in IGLU zwei Leseintentionen berücksichtigt, von denen anzunehmen ist, dass sie den typischen Leseerfahrungen von Kindern am Ende der Grundschulzeit entsprechen: Lesen aus Interesse beziehungsweise zum Vergnügen und Lesen, um zu lernen.

Prozesse des Leseverstehens
Lesen Viertklässlerinnen und Viertklässler Erzähl- und Sachtexte, so können der Rahmenkonzeption von IGLU zufolge vier jeweils breit gefächerte Verstehensprozesse zum Einsatz kommen (prozentuale Anteile der Verstehensprozesse in den Lesetestaufgaben sind in Klammern angegeben):
  • Sie konzentrieren sich auf explizit angegebene Informationen und rufen sie ab (29 %);
  • sie ziehen einfache Schlussfolgerungen (30 %);
  • sie ziehen komplexe Schlussfolgerungen, das heißt, sie interpretieren und verknüpfen textinterne Informationen mit textunabhängig verfügbarem Vorwissen (27 %);
  • sie prüfen und bewerten den Inhalt des Textes und Aspekte seiner sprachlichen Gestaltung (14 %).
Lesetests
Die in IGLU abgebildeten Lesekompetenzen werden durch standardisierte Leistungstests erfasst. Insgesamt werden 12 Lesetexte eingesetzt, davon 6 Sach- und 6 Erzähltexte, die kindgerecht gestaltet und bebildert sind. An jeden Text schließen sich ca. 15 Verständnisfragen an. Teilweise sind vorgegebene Antwortalternativen zu den Fragen gegeben, teilweise müssen Antworten selbst formuliert werden. Jedem Kind wurde ein Testheft vorgelegt, das je einen Erzähl- und einen Sachtext enthielt. Für das Lesen eines Textes und die Bearbeitung der dazugehörigen Aufgaben hatte jedes Kind jeweils 40 Minuten Zeit. Für Deutschland gelten die in der IGLU-Testung eingesetzten Lesetexte als curricular valide.

In IGLU werden die von den Schülerinnen und Schülern gezeigten Leistungen als Ergebnis eines Lernprozesses betrachtet. Dieser Lernprozess wird durch Schule und Unterricht, aber auch durch außerschulische Merkmale und Bedingungen beeinflusst.

Um Bedingungen des Erwerbs von Lesekompetenzen inner- und außerhalb der Schule zu betrachten, werden in IGLU folgende Personengruppen befragt:
  • die Schülerinnen und Schüler,
  • ihre Eltern,
  • die Lehrkräfte, die den Schülerinnen und Schülern Leseunterricht in der vierten Klasse erteilen, sowie
  • die Schulleitungen der teilnehmenden Grundschulen.
Weltweit haben rund 313 000 Schülerinnen und Schüler, 300 000 Eltern, 16 000 Lehrerinnen und Lehrer sowie 11 000 Schulleitungen an IGLU 2016 teilgenommen. In Deutschland waren rund 4 000 Viertklässlerinnen und Viertklässler, ebenso wie rund 3 000 Eltern, 200 Deutschlehrkräfte und 190 Schulleitungen an IGLU 2016 beteiligt.

Die für den internationalen Vergleich vorgesehenen Fragen in den Fragebögen wurden um weitere für Deutschland relevante Themenbereiche ergänzt. Auf Basis dieser Daten können Analysen zu Leistungsdisparitäten (z. B. nach Geschlecht, sozialer Herkunft, Migrationshintergrund) der Schülerinnen und Schüler vorgenommen werden. Diese gehören mittlerweile zum Standard eines umfassenden Bildungsmonitorings in Deutschland. Die national ergänzten Fragen in den Fragebögen umfassen darüber hinaus unter anderem Aspekte des Deutsch- und Leseunterrichts sowie der Leseförderung.

Die Ergebnisse
  • Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland erreichen einen Leistungsmittelwert im Lesen von 537 Punkten. Sie befinden sich damit im unteren Mittelfeld der Rangreihe der teilnehmenden Staaten und Regionen.
  • Der Leistungsmittelwert der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland liegt signifikant über dem internationalen Mittelwert (521 Punkte) und unterscheidet sich nicht signifikant von dem Mittelwert aller teilnehmenden EU-Staaten (540 Punkte) sowie OECD-Staaten (541 Punkte).
  • In 20 Staaten erzielen Schülerinnen und Schüler signifikant bessere Leseleistungen als vergleichbare Grundschulkinder in Deutschland. Im EU-Vergleich schneiden mehr als die Hälfte der Teilnehmer besser ab: Irland, Finnland, Polen, Nordirland, England, Lettland, Schweden, Ungarn, Bulgarien, Litauen, Italien, Dänemark und die Niederlande.
  • Die Streuung der Leistungen fällt in Deutschland mit 78 Punkten im Vergleich zu vielen Teilnehmern besonders hoch aus.
Testleistungen im Lesen im internationalen Vergleich
  • 2016 erreichen 18.9 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht die Kompetenzstufe III. Diese Kinder verfügen über ein nicht ausreichendes Leistungsniveau im Lesen. Es ist davon auszugehen, dass sie mit erheblichen Schwierigkeiten beim Lernen in allen Fächern in der Sekundarstufe I konfrontiert sein werden.
  • In 13 Teilnehmerstaaten ist in IGLU 2016 der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Leistungen unter Kompetenzstufe III signifikant niedriger als in Deutschland, darunter Tschechien, England, Dänemark, die Niederlande, Schweden, Litauen und Italien. Nur in der Französischen Gemeinschaft in Belgien, in Frankreich und in Neuseeland fällt der Anteil signifikant höher aus.
  • In Deutschland hat sich im Vergleich zu 2001 der Anteil der Schülerinnen und Schüler unter Kompetenzstufe III nicht signifikant verändert. Im Vergleich zu 2006 und 2011 ist er signifikant gestiegen.
  • 8 Teilnehmerstaaten und 1 Benchmark-Teilnehmer ist es gelungen, den Anteil an leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern von 2001 zu 2016 signifikant zu reduzieren. Nur in Frankreich und den Niederlanden zeichnen sich wie in Deutschland negative Entwicklungen ab.
  • In IGLU 2016 erzielen rund 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland Leistungen, die dem Niveau der höchsten Kompetenzstufe V entsprechen. Diese Schülergruppe verfügt über Lesekompetenzen, die es ihnen ermöglichen, Bezug auf Textpassagen oder einen ganzen Text zu nehmen, darin enthaltene Informationen zu ordnen und Aussagen selbständig interpretierend und kombinierend zu begründen.
  • Im Vergleich zu 2001 ist der Anteil sehr guter Leserinnen und Leser in Deutschland von knapp 9 auf gut 11 Prozent gestiegen.
  • Nach wie vor zeigt damit etwa nur jedes zehnte Kind in Deutschland fortgeschrittene Leistungen im Lesen. Gleichwohl entspricht dieser Anteil in etwa den Anteilen in den anderen EU- und OECD-Staaten.
  • Für 14 Teilnehmerstaaten und -regionen lassen sich signifikant größere Anteile an Schülerinnen und Schülern mit Spitzenleistungen als für Deutschland beobachten. Darunter sind als europäische Teilnehmer Nordirland (22.2 %), Polen (20.2 %), England (20.1 %), Bulgarien (19.2 %), Finnland (18.2 %) und Ungarn (16.6 %).
Leseselbstkonzept, Lesemotivation und Leseverhalten
  • Die meisten Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland haben eine hohe Lesemotivation. Mädchen zeigen sich etwas motivierter als Jungen.
  • In 2016 sind die befragten Kinder im Vergleich zu 2001 jedoch insgesamt etwas weniger motiviert. Dies ist insbesondere bei leseschwachen Kindern der Fall.
Charakteristika der Viertklässlerinnen und Viertklässler in IGLU 2001, 2006, 2011 und 2016
  • Insgesamt ist die Schülerschaft an Grundschulen in Deutschland in 2016 vielfältiger, als dies noch in IGLU 2001 der Fall war.
  • Infolge struktureller Reformbemühungen, integrative Angebote für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen, ist von 2011 zu 2016 ein signifikanter Anstieg von Kindern mit besonderen Unterstützungsbedarfen an Regelschulen festzustellen.
  • Im Vergleich zu IGLU 2001 sinkt der Anteil an Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund, zugleich lässt sich ein signifikanter des Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund (beide Elternteile im Ausland geboren) feststellen.
Leistungsdisparitäten nach Geschlecht
  • Für die Gesamtskala Lesen lassen sich in Deutschland signifikante Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen feststellen. Der Leistungsvorsprung der Mädchen ist mit 11 Punkten eher gering und unterscheidet sich nicht signifikant von dem internationalen Mittelwert, sowie den der EU- und OECD-Teilnehmer.
  • Mädchen zeigen beim literarischen Lesen im Mittel deutliche Vorteile gegenüber Jungen (18 Punkte), während Unterschiede beim informierenden Lesen mit 5 Punkten nur minimal sind.
  • Die geschlechtsspezifischen Differenzen haben 2016 dieselbe Größenordnung wie 2001. Dies trifft auf fast alle Teilnehmerstaaten und -regionen zu. Lediglich in den USA und in Hongkong zeigt sich eine signifikante Verringerung der geschlechtsspezifischen Leistungsdisparitäten von 2001 zu 2016.
Leistungsdisparitäten nach sozialer Herkunft
  • In allen Teilnehmerstaaten erzielen Schülerinnen und Schüler aus Familien mit mehr als 100 Büchern zu Hause im Lesen signifikant bessere Leistungen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler aus Familien mit maximal 100 Büchern zu Hause.
  • Der Leistungsvorsprung von Kindern aus Familien mit mehr als 100 Büchern beträgt in Deutschland 54 Punkte – und somit etwas mehr als ein Lernjahr.
  • Für keinen Teilnehmer zeigen sich im Vergleich mit Deutschland signifikant größere sozial bedingte Disparitäten in den Leseleistungen. In Ungarn, Bulgarien, der Slowakei, Israel, Neuseeland, Österreich und Frankreich sind die Leistungsunterschiede nicht signifikant verschieden von Deutschland. In den meisten Staaten, darunter auch vielen EU-Mitgliedsstaaten, fallen die sozial bedingten Disparitäten in den Schülerleistungen signifikant geringer aus.
  • Im Vergleich von 2001 zu 2016 ist in den meisten Teilnehmerstaaten und -regionen keine Veränderung von sozialen Disparitäten zu beobachten. Deutschland aber gehört neben der Slowakei, Slowenien und Ungarn zu den vier Staaten, in denen soziale Disparitäten seit 2001 signifikant zugenommen haben.
Leistungsdisparitäten nach Migrationshintergrund
  • International erreichen in fast allen Teilnehmerstaaten Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht die Testsprache sprechen, schlechtere Leseleistungen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die zu Hause die Testsprache sprechen. Dies trifft auch für Deutschland zu. Der Unterschied in der Leseleistung liegt bei 37 Punkten und damit in der Größenordnung dessen, was Kinder im Laufe eines Jahres durchschnittlich dazulernen.
  • In Deutschland beträgt der Leistungsvorsprung von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern in Deutschland geboren wurden, vor ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, deren Eltern im Ausland geboren wurden, 48 Punkte (559 vor 511 Punkten).
  • Die Leistungsdisparitäten zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund erweisen sich in der 15-Jahresperspektive als weitestgehend konstant. 2011 deutete sich zwar eine Reduktion der Leistungsdisparitäten an. Sie hatte aber keinen Bestand, denn in 2016 lässt sich nicht mehr nur ein Leistungszuwachs für die Kinder mit Migrationshintergrund beobachten, sondern auch für Kinder, deren Eltern in Deutschland geboren wurden.
Schullaufbahnpräferenzen
  • Knapp die Hälfte aller Eltern (47.6 %) erwartet 2016, dass ihre Kinder im Anschluss an die Grundschule ein Gymnasium besuchen. Dieser Anteil ist seit 2001 leicht gestiegen.
  • Deutlich zugenommen haben die Präferenzen zugunsten von Schulen mit mehreren Bildungsgängen.
  • Realschulen und insbesondere Hauptschulen werden deutlich seltener gewählt als in den Jahren zuvor. Seit 2001 ist der Anteil an Hauptschulpräferenzen von 22.1 auf 6.1 Prozent substantiell zurückgegangen. Eine Realschule besuchen sollen der aktuellen Studie zufolge 21.3 Prozent der Schülerinnen und Schüler gegenüber 29.2 Prozent im Jahr 2001.
  • Sowohl die Schullaufbahnpräferenz der Eltern als auch die der Lehrkräfte unterscheiden sich je nach sozioökonomischer Stellung der Schülerfamilien. Auch unter Kontrolle der Lesekompetenz haben Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern eine deutlich höhere Chance auf eine Gymnasialpräferenz als Kinder aus bildungsfernen Familien.
  • Seit 2001 lässt sich eine Zunahme der sozialen Disparitäten bei den Schullaufbahnpräferenzen feststellen. Beispielsweise war 2001 bei gleicher Leistung und gleichen kognitiven Fähigkeiten die Chance auf eine Gymnasialpräferenz der Lehrkräfte für Kinder, deren Eltern der oberen und unteren Dienstklasse (EGP I und II) zuzuordnen sind, 2.6-mal so hoch wie für Kinder von Facharbeitern. 2016 ist diese Chance deutlich höher (3.4-mal so hoch).
Förderbedarf und Fördererhalt sowie Bedingungsfaktoren schwacher Leistung
  • In IGLU 2016 zeigen 18.9 Prozent der Kinder in Deutschland Leseleistungen, die auf dem Niveau der Kompetenzstufen I und II (d.h. unterhalb dessen, was in Deutschland als Mindeststandard definiert wird) liegen. Es ist zu erwarten, dass diese Schülergruppe in der Sekundarstufe I in vielen Fächern mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sein wird.
  • Insgesamt erhält nur ein Drittel der leseschwachen Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine zusätzliche schulische Förderung im Lesen.
Gestaltung des Deutschunterrichts unter besonderer Berücksichtigung von Heterogenität
  • Vierte Klassen in Deutschland unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung. Dies betrifft sowohl die leistungsbezogene Heterogenität, diagnostizierte sonderpädagogische Förderbedarfe als auch soziale oder migrationsbedingte Schülermerkmale.
Bildungspolitische und didaktische Folgerungen
Auf Basis der Befunde im Rahmen von IGLU 2001, 2006, 2011 und 2016 sollte unter anderem verstärkt über Maßnahmen in den folgenden Bereichen nachgedacht werden:
  • gezielte Unterstützung für leseschwache Schülerinnen und Schüler
  • Verstärkung des kognitiven Anregungspotentials von Aufgaben zum Lesen und gezielte Förderung lesestarker Schülerinnen und Schüler
  • verstärkter Einsatz von Sachtexten im Leseunterricht und gezielte Förderung von wissensbasierten Verstehensleistungen
  • Herstellung von Chancengerechtigkeit für Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sozialen Herkunft, ihrem Migrationsstatus oder anderen Merkmalen
  • verstärkte Implementation von Leseförderung in der Sekundarstufe I
  • Ausweitung und Verbesserung von Aus- und Fortbildungsangeboten im Bereich des adaptiven Unterrichtens
Berichtsband:
Anke Hußmann, Heike Wendt, Wilfried Bos, Albert Bremerich-Vos, Daniel Kasper, Eva-Maria Lankes, Nele McElvany, Tobias C. Stubbe, Renate Valtin (Hrsg.)
IGLU 2016. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich
Waxmann 2017, 342 Seiten, broschiert, 39,90 €
ISBN: 978-3-8309-3700-5
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Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Wilfried Bos
Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS)
Technische Universität Dortmund
Campus Nord, CDI, Raum CDI / 232
Tel.: (0231) 755-5501
E-Mail: officebos-ifs.fk12@tu-dortmund.de
www.ifs.tu-dortmund.de

Projektleitung:
Dr. Heike Wendt
Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS)
Technische Universität Dortmund
Campus Nord, CDI, Raum CDI / 228
Tel.: (0231) 755-7404
E-Mail: wendt@ifs.tu-dortmund.de
www.ifs.tu-dortmund.de

Dr. phil. Anke Hußmann (geb. Walzebug)
Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS)
Technische Universität Dortmund
Campus Nord, CDI, Raum CDI / 231
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