
Märchen machen Mut |
16.01.2017 |
Spielerischer Umgang mit Märchen in arabischer und deutscher Sprache
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Märchen erzählen mit Kamishibai-Bildkarten © Klaus-Uwe Nommensen |
Märchen als Zeugnisse einer vielfältigen weltweiten Erzählkultur
Märchenhafte Erzählungen und Überlieferungen sind aus allen Völkern und Kulturen bekannt. Für viele Motive lassen sich internationale Wiederholungen und Parallelen ausmachen, was mit gemeinsamen Traditionen und gegenseitiger Einflussnahme zu begründen ist. Manche Volksmärchen sind auf der Basis sehr viel älterer Mythen entstanden. „Frau Holle“ z.B. geht vermutlich auf die Verehrung einer vorchristlichen Gottheit zurück.
In ihrer ältesten bekannten Form stammen Volksmärchen aus dem Orient. Von dort aus gelangten sie bereits vor 1000 n. Chr. ins Abendland. Dabei gab es über lange Zeiträume nur die mündliche Tradierung mit anonymer Herkunft. Ähnliche Wechselwirkungen lassen sich – z.T. noch sehr viel früher - auch für die Tradierung von Fabeln feststellen. Erst seit sich im Mittelalter vermehrt Möglichkeiten schriftlicher Überlieferung entwickelten, werden Märchen unterschiedlicher Herkunft auch niedergeschrieben und nehmen Einfluss auf literarische Weiterentwicklungen und Übersetzungen. So entstand um 1450 die älteste erhaltene arabische Sammlung von „1001 Nacht“, die sogenannte „Galland-Handschrift“ (nach ihrem Entdecker Antoine Galland, 1646-1715). Er beförderte mit seiner Übersetzung ins Französische (1704/08) die europäische Rezeption der orientalischen Märchen.
Charles Perrault (1628-1703) wiederum sorgte 1698 mit seiner Märchensammlung „Contes des Fées“ (Feenerzählungen) für eine wachsende Popularität von Märchen in Frankreich und in ganz Europa, was später auch für die Gebrüder Grimm von Bedeutung war. Denn ihre „Kinder- und Hausmärchen“ aus dem Jahr 1812 hatten in dieser Form keineswegs in der mündlichen Überlieferung durch das „einfache Volk“ ihren einzigen und maßgeblichen Ursprung. In ihnen verbinden sich vielfältige Erzähltraditionen aus der ganzen Welt, die nun mit jeder gedruckten Auflage überarbeitet, teilweise verharmlost und der christlichen Moral angepasst wurden. Um dem Geschmack des meist bürgerlichen Publikums Rechnung zu tragen und sie auch als für Kinder geeignet erscheinen zu lassen, wurden zahlreiche Details geändert. Entscheidend für den anhaltenden Erfolg der Sammlung war vor allem die Ausgabe von 1825, bei der sich Wilhelm Grimm mehr am Deutsch der Lutherbibel orientierte.
„Die Kinder- und Hausmärchen stehen in einer langen Überlieferungstradition, in der ganz, ganz viele orientalische, europäische Quellen zusammengeführt worden sind, und die Brüder Grimm haben am Schreibtisch aus diesen vielfältigen Traditionen dann diese wunderbaren Märchen geschaffen ... die berühmtesten Märchen in aller Welt, das sind wahrscheinlich Schneewittchen, Hänsel und Gretel, Aschenputtel, Rotkäppchen, Frau Holle.“ (Bernhard Lauer, Leiter des Grimm-Museums, Kassel)
Gestaltung der Praxissituation mit Märchen in arabischer Übersetzung
Vorüberlegungen:
- Wie nehme ich die Gruppe wahr? Sind ältere Kinder/Erwachsene dabei, die den arabischen Text oder Teile daraus vorlesen können? Ist die Gruppe groß oder klein, eher still oder unruhig/in Bewegung?
- Welche Vermittlungsform liegt mir persönlich am meisten / was mache ich gern und was kann ich gut? (Singen, Spielen, Malen, Theater, ...)
Erster Zugang zum Inhalt (methodisch ganz unterschiedlich zu entfalten):
Schlüsselszenen und –begriffe, die sich bildlich und zweisprachig aus dem Märchen herausarbeiten lassen, werden als „Verbindungspunkte“ zwischen den verschiedenen Sprachfassungen herausgearbeitet und spielerisch-kreativ gestaltet. Dabei muss es nicht immer um das Märchen im Ganzen gehen, ebenso möglich ist auch die Vertiefung einzelner Szenen und damit verbundene Bilder/Begriffe, z.B.: Tisch decken und essen.
Methodische Möglichkeiten dafür sind z.B.:
- Handpuppen aus Butterbrot-Tüten basteln und damit das Märchen erzählen (Material: Papiertüten, Buntstifte)
- Minibuch zum Märchen gestalten, ggf. mit eingeklebten Bildern und arabischen Worten (Material: Papier, evlt. Klebestifte, Scheren)
- Kleine Singverse mit wechselnden Wörtern erfinden.
- Einsatz der Märchenbilderkarten / Ideen der Übertragung auf ein ähnliches Material (Material: Märchenkartenspiel)
- Andere Ausdrucksmittel für das bildliche Erzählen entwickeln und nutzen, z.B. auch durch Mimik, Gestik, große Bildkarten u.a.
Umsetzungsbeispiel zu dem Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“
- Hauptfiguren mit Bildmotiven vorstellen: Die 4 Tiere des Märchens - Esel, Hund, Katze, Hahn - werden mit Bild und Bezeichnung der Tierart (mehrsprachig!) vorgestellt. Zur Illustration bieten sich Bildkarten mit passenden Tiermotiven, aber auch eigenhändige Zeichnungen oder ausgeschnittene und aufgeklebte Bilder auf Butterbrottüten an, die dann zugleich als einfache Tüten-Handfigur spielerisch einsetzbar sind.
- Singvers: Zu den vorgestellten Tieren wird ein einfaches Lied nach der international bekannten Melodie von „Meister Jakob“ gemeinsam gesungen. Auch hier können die Tierarten in verschiedenen Sprachen benannt werden. Die Bilder bzw. Tüten-Handfiguren zu den einzelnen Tieren werden dabei passend zu den einzelnen Strophen gut sichtbar präsentiert:
Schau, eine Katze (ein Esel, ein Hahn, ...) ://
Hör die Musik! ://
Viele, viele Töne ://
Wer macht mit? :// - Bildgestützt zweisprachig vorlesen/erzählen mit Kamishibai: Das Märchen wird zu großen Bildkarten im Kamishibai zweisprachig erzählt. Dabei erfolgt das Erzählen in Deutsch und Arabisch Bild für Bild in kleinen Textabschnitten jeweils im Wechsel und wird durch das passende Szenenbild gestützt. (Bildkarten: www.donbosco-medien.de)
- Ein gedeckter Tisch zum Abschluss: Anknüpfend an die Abschlussszene lässt sich gut das im Märchen mehrfach beschriebene Thema „Tisch decken“ alltagsbezogen vertiefen, etwa im Sinne von: „So lebten die Tiere nun gemeinsam in dem Haus und hatten ein gutes Leben.“ Was gehört alles auf den Tisch, wenn gemeinsam gegessen wird? Hierfür können zweisprachige Bildmotive zu Lebensmitteln und Geschirr (siehe Materialverzeichnis) ausgedruckt, auf Karten geklebt, von den Kindern ausgewählt und in verschiedenen Sprachen benannt werden. Dabei lernen die deutschen Kinder dann auch die entsprechenden arabischen Bezeichnungen in Bild, Schrift und Wortklang. Das Thema kann über die Bildmotive hinaus beliebig erweitert werden und mit einem „echten“ gemeinsamen Essen am großen Tisch einen geselligen Abschluss finden.
Geeignete Materialien und Vorlagen zum Download
Faltanleitung für Minibücher
Bildmotive zu Märchen (u.a. zu „Der Froschkönig“)
Wortschatz „Der Froschkönig“
Wortkarten arabisch
Arabisches Bilder-Alphabet
Bildwörterbuch Deutsch-Arabisch, Motive zu „Bett, Tisch, Tür“
Bildwörterbuch Deutsch-Arabisch, Motive zu „Lebensmittel / Tisch decken“
Märchentexte mit Bildkarten für das bildgestützte Erzählen mit Kamishibai
Praxis-Hilfen vom Goethe-Institut zu Märchen
Märchentexte in einfacher Sprache
Eine weitere Quelle für eine sprachlich vereinfachte Form von „Der Froschkönig“
Märchen in Leichter Sprache
Grimms Märchen in vielen Sprachen online
Grimms Märchen in neun Sprachen online
Literatur:
Bücher auf Arabisch für Kinder und Jugendliche
Titelliste des Goethe-Instituts für die Aktion „Einfach Lesen!“
www.goethe.de/resources/files/pdf90/Titelliste_Einfach_Lesen.pdf
Susanne Brandt
Mein Erzähltheater Kamishibai
Deutsch lernen mit Bildern und Geschichten
64 Seiten, 10,95 EUR, Verlag Don Bosco 2016, ab 4 Jahren
ISBN: 978-3-7698-2263-2
Leseprobe
Autorin:
Susanne Brandt
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Lektorat
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24903 Flensburg
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