
Vorlesestudie 2015 |
13.11.2015 |
Vorlesen stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt
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Familiäre Vorlesesituation © Stiftung Lesen/Oliver Rüther |
Persönliche Befragung von 524 Kindern und ihren Müttern
Für die Vorlesestudie 2015 wurden 524 Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren und ihre Mütter in persönlichen Interviews mittels eines standardisierten Fragebogens vom Feldinstitut Iconkids & Youth in der Zeit vom 30. Juni bis zum 31. Juli 2015 befragt. Die Fragen bezogen sich zunächst auf die Vorleseerfahrungen der Kinder: Wie oft wurde ihnen vorgelesen, als sie noch klein waren. Nach den Antworten wurden die Kinder in drei Gruppen mit unterschiedlich intensiver Vorleseerfahrung eingeteilt: Kinder, denen, täglich (n=134), wöchentlich (n=235), seltener oder nie (n=155) vorgelesen wurde. Anhand der drei Vergleichsgruppen wurde der Zusammenhang zwischen Vorlesen und Schulerfolg sowie zwischen Vorlesen, emotionaler Stärke und sozialer Kompetenz untersucht.
Vorlesen und Schulerfolg
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass zwischen dem Vorlesen in der Familie und dem späteren Schulerfolg ein enger Zusammenhang besteht. Die Durchschnittsnote im Fach Deutsch liegt bei Kindern, denen als Kleinkind täglich vorgelesen wurde, um sieben Zehntel über der von Kindern, denen selten oder nie vorgelesen wurde. Diese Kinder gehen besonders gern zur Schule, sind wissbegieriger, können sich besser konzentrieren und Dinge schneller merken, als Kinder, denen selten oder nie vorgelesen wurde. Auch ein Zusammenhang zwischen den Vorleseerfahrungen und Eigenschaften, die als gute Voraussetzungen für den „Ernst des Lebens“ gelten, kann aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet werden: 8 bis 12-Jährige, denen täglich vorgelesen wurde, können sich sehr gut allein beschäftigen und gelten häufiger als vernünftig, ordentlich und zuverlässig als Kinder, denen nicht so oft vorgelesen wurde.
Vorlesen, emotionale Stärke und soziale Kompetenzen
Mit der Studie konnte nachgewiesen werden, dass das Vorlesen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von emotionaler Stärke und sozialer Kompetenz leistet. Kinder, denen häufig vorgelesen wurde, entwickeln sich insgesamt zu offenen, vielseitig interessierten und sensiblen Individuen, die mitfühlend, zupackend, engagiert und anderen ohne Vorbehalte zugewandt sind. So nehmen sich z. B. 90 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wurde, als Vertrauenspersonen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler wahr, aber nur 51 Prozent derjenigen, denen selten oder nie vorgelesen wurde. Dies gilt in gleichem Maße für Kinder mit vielen und wenigen sozialen Kontakten im Alltag.
Die Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit des Vorlesens und den genannten Eigenschaften sind unabhängig vom Bildungsniveau, vom Geschlecht der Kinder, von der Intensität ihrer sozialen Kontakte und von der Kommunikation in der Familie nachweisbar. Gerade wenn Kinder wenige soziale Kontakte haben und in Familien wenig Austausch über den Alltag stattfindet, profitieren sie vom Vorlesen. Das Vorlesen leistet einen Beitrag dazu, dass sie einen weiten Horizont entwickeln und ein großes Repertoire an Verhaltensmodellen besitzen.
Konsequenzen für Individuen, soziale Beziehungen und Gesellschaft
Vorlesen stärkt Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung.
93 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wurde, werden als fröhlich beschrieben, 75 Prozent als selbstbewusst. Dies gilt für Kinder, denen selten oder nie vorgelesen wurde, nur in 59 bzw. 44 Prozent der Fälle.
Vorlesen stärkt soziale Beziehungen.
40 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wurde, zeigen sich im Alltag besonders darum bemüht, andere in die Gemeinschaft zu integrieren. Dies gilt nur für 17 Prozent der Kinder, denen selten oder nie vorgelesen wurde.
Vorlesen stärkt gesellschaftliches Miteinander.
85 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wurde, besitzen nach Aussage ihrer Mütter einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, aber nur 40 Prozent derjenigen, denen selten oder nie vorgelesen wurde. Dementsprechend häufig ergreifen sie Partei, auch wenn sie persönlich von einem Problem nicht betroffen sind.
Eltern stärken die Zusammenhänge zwischen Vorlesen und sozialer Kompetenz, indem sie das Vorlesen als Gesprächsanlass und zur Verarbeitung von Fragen, Problemen, Sorgen etc. nutzen.
Ergebnisse der Vorlesestudie 2015 zum Download: www.stiftunglesen.de
Christine Schuster
Kontakt:
Dr. Simone C. Ehmig
Leiterin
Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen
Römerwall 40
55131 Mainz
Tel.: (06131) 28890-81
E-Mail: simone.ehmig@stiftunglesen.de
Internet: www.stiftunglesen.de/forschung
12. Bundesweiter Vorlesetag am 20. November 2015
Am bundesweiten Vorlesetag, der seit zwölf Jahren jeweils am dritten Freitag im November stattfindet, kann jeder, der Spaß am Vorlesen hat, anderen vorlesen - zum Beispiel in einer Schule, einem Kindergarten, einer Bibliothek oder in einer Buchhandlung. Auf der Internetseite www.vorlesetag.de finden Interessierte Vorlesetipps und Tipps für die Gestaltung von Vorleseaktionen. Unter „Zuhören“ kann man nach Vorleseaktionen am Vorlesetag suchen und unter „Mach mit!“ öffnen sich Anmeldeformulare für Einzelvorleser und Gruppenlesungen. Neben dem Aufruf zum Vorlesetag loben die drei Initiatoren, die Wochenzeitung DIE ZEIT, die Stiftung Lesen und die Deutsche Bahn Stiftung, seit 2013 gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund einen Wettbewerb um den Titel „Vorlesehauptstadt des Jahres“ aus. Gesucht werden die aktivste, die außergewöhnlichste und die öffentlichkeitswirksamste Vorlesehauptstadt. Teilnehmen können alle Städte und Gemeinden Deutschlands.
Weitere Informationen unter www.vorlesetag.de
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