
Wenn Wasser erzählt |
20.03.2013 |
Junge Texte aus dem Ruhrgebiet
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© Geest-Verlag |
Als Leseprobe veröffentlichen wir den Anfang der Geschichte „Die Intensivstation“ von Michelle Damaszek und das Gedicht „Von der Kunst des Wasserlauschens“ von Johanna Koch.
Die Intensivstation (Auszug)
Die Geschichten, die das Wasser erzählt, sind meist die schönsten. Sie handeln von fernen Ländern, die es bereits durchreist hat, von Menschen, die ihm selbst ihre Geschichte erzählt haben. Denn das Wasser ist nicht nur ein guter Geschichtenerzähler, sondern auch ein besonders geduldiger Zuhörer. Es erzählt seine Geschichten auf die unterschiedlichsten Weisen, die man sich vorstellen kann: Man hört sie in dem leisen Plätschern des Baches, der stetig weiterzieht und dabei so einiges davonträgt. Man hört die Geschichten auch in dem tobenden Getöse der Wellen, die sich bei Sturm an den Felsen brechen, oder in dem gleichmäßigen Rhythmus der dicken Regentropfen, die gegen die Fensterscheiben prasseln.
Autorin: Michelle Damaszek (18 Jahre)
Von der Kunst des Wasserlauschens
Ein Tropfen Wasser kann
große Geschichten erzählen,
denn er kennt alle
Meere,
Flüsse,
Seen,
Teiche
und
den Himmel.
Und wenn ein Tropfen einmal erzählt,
dann erzählt er von fernen Ländern,
von langen Reisen,
von verzauberten Orten,
von großen Helden.
Wenn wir die Augen schließen
und dem Regen,
den reißenden Flüssen,
den tosenden Meeren lauschen,
erfahren wir vieles,
was wir vielleicht nicht glauben können,
das aber doch wahr ist.
Manchmal verstehen wir nichts,
ein anderes Mal sind wir fast
wie inmitten des Geschehens.
Das Wasser ist nicht nur Lebensquelle,
nein, es erinnert sich für uns
an längst Vergangenes,
wovon wir nichts mehr wissen.
Wenn wir könnten,
würden wir vom Wasser lernen
und so vielleicht die Welt
ein bisschen besser verstehen.
Doch die Kunst des Wasserlauschens,
die haben wir schon lang verloren
und damit auch all das Wissen,
das wir hätten erfahren können.
Aber irgendwann werden wir
sie wieder erlernen
und hören können,
was wir jetzt nur als
prasselnden Regen,
reißenden Fluss,
hoch schlagende Wellen
oder plätschernde Bäche
wahrnehmen können.
Autorin: Johanna Koch (14 Jahre)
Über die Anthologie
Wasser ist für uns Menschen etwas ganz Wichtiges. Ohne Wasser können wir nicht leben. In allen Kulturen und Religionen spielt es deshalb eine große Rolle, es ist ein Symbol für so vieles. Auch im Ruhrgebiet? Auch für Kinder und Jugendliche? Im Rahmen eines Schreibwettbewerbs haben junge Autorinnen und Autoren zwischen 10 und 20 Jahren aus dem Ruhrgebiet dazu Texte verfasst. Was bedeutet ihnen Wasser? Was verbinden sie mit ihm? Egal, ob sie zugewandert sind oder schon immer hier leben. Was sehen sie in ihm, was spiegelt es ihnen? Was für ein Bild zeichnen sie vom Wasser? Oder ist es gar ein Zerrbild, weil es sich kräuselt? Immerhin war im Revier vor Jahrmillionen noch ein Meer. Dann kam die aus dem nassen Moor wachsende Steinkohle.
Und heute? Heute stellt sich die Frage, welche Akzente gerade junge Menschen im Revier setzen, wenn es um Wasser und ihr Verhältnis dazu geht! Was beschäftigt sie, was lebt in ihnen auf? Dass sie dazu sehr viel zu sagen und mitzuteilen haben, zeigt die vorliegende Anthologie „Wenn Wasser erzählt ...“. Sie ist in einer Kooperation zwischen dem Kulturzentrum Grend in Essen und dem Geest-Verlag in Vechta entstanden.
Alfred Büngen und Artur Nickel
Andreas Klink, Artur Nickel (Hg.)
Wenn Wasser erzählt... Junge Texte aus dem Ruhrgebiet
Mit einem Begleitwort des deutsch-spanischen Dichters José F. A. Oliver
Geest-Verlag, Vechta 2012
ISBN 978-3-86685-383-6
ca 310 Seiten, 12,00 Euro
Kontakt:
Alfred Büngen
Geest-Verlag
Lange Straße 41 A
49377 Vechta
Tel.: (04447) 856580
E-Mail: geest-verlag@t-online.de
Internet: www.geest-verlag.de
Dr. Artur Nickel
Am Stenshof 117
44869 Bochum
Tel.: 02327/974246
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