Bericht

Entwicklung von Lesemotivation unter Geschlechterperspektive

30.07.2012

Projekt an sechs Grundschulen in Sachsen




Lesemotivation bei Mädchen und Jungen
Lesemotivation bei Mädchen und Jungen
© SÄCHSISCHES BILDUNGSINSTITUT
Von 2007 bis 2010 wurden an elf sächsischen Schulen neue Möglichkeiten einer geschlechter-sensiblen Förderung von Mädchen und Jungen erprobt. Die ca. 100 am Projekt beteiligten Lehrerinnen und Lehrer qualifizierten in zahlreichen Fortbildungen ihre Fähigkeit, Unterricht und außerunterrichtliche Phasen geschlechtersensibel zu gestalten. Im Rahmen des Projekts sollte erprobt werden, in welcher Weise geschlechtersensible Päda- gogik dazu beitragen kann, dass Jungen und Mädchen die unterschiedlichen Potentiale ihrer Persönlichkeiten individuell zur Entfaltung bringen können.

Das Projekt wurde durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Erfurt und des Gender-Institut-Sachsen-Anhalt (G/I/S/A) begleitet und evaluiert, u. a. durch dreimalige schriftliche Befragungen der mehr als 1000 involvierten Jungen und Mädchen. In dem seit Juni 2011 vorliegenden wissenschaftlichen Abschlussberichten zeigt sich, dass es bei Gewährleistung verschiedener Gelingensbedingungen möglich ist, die Lesemotivation von Jungen und Mädchen zu steigern, problematische Geschlechterstereotypen bei Kindern und Jugendlichen abzuschwächen und das soziale Miteinander an den Schulen zu verbessern.

Das Projekt beinhaltete zwei Teilprojekte:
Teilprojekt 1: Verbesserung der Genderrelation beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schularten durch geschlechtersensible Förderung in den Bereichen Lesen, Mathematik-Naturwissenschaften und Sozialkompetenz.

Teilprojekt 2: Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Mädchen und Jungen an sächsischen Schulen durch Implementierung von Mädchen- und Jungenkonferenzen in der 5. und 6. Klasse an Schulen zur Lernförderung, Mittelschulen und Gymnasien.

Fünf der am Teilprojekt 1 beteiligten sechs Grundschulen wählten den Schwerpunkt Lesemotivationssteigerung für Jungen. Während der Erarbeitung ihrer schulspezifischen Projektkonzepte formulierten die Schulen einen stetig wachsenden Unterstützungsbedarf. Dieser zielte keineswegs allein auf externe Evaluation ab, sondern viel stärker auf Coaching, Beratung und Fortbildung zu Genderthemen. Mit Prof. Dr. Karin Richter und Dr. Monika Plath von der Universität Erfurt, Bereich: Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung/Literarische Bildung konnten zwei außerordentlich kompetente und motivierte Expertinnen für das Projekt gewonnen werden, die in der Lage und interessiert daran waren, genau diesen Bedarf zu decken.

Derartig modifiziert war das Teilprojekt 1 an den Grundschulen im gesamten Verlauf geprägt von intensiver Fortbildung und regelmäßigem Erfahrungsaustausch. Dabei ging es zum einen darum, die Lehrerinnen und Lehrer mit übergreifenden Aspekten allgemeiner Genderkompetenz vertraut zu machen. Zum anderen nahmen die Lehrerinnen und Lehrer während der dreijährigen Projektdauer insgesamt 10 Tage lang an Fortbildungen teil, die Möglichkeiten der geschlechtersensiblen Leseförderung aufzeigten. Während die allgemeine Fortbildung von Experten aus den Landesarbeitsgemeinschaften LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e. V. und LAG Mädchen und junge Frauen in Sachsen e. V. durchgeführt wurde, gestalteten die Wissenschaftlerinnen der Universität Erfurt die lesespezifischen methodischen Fortbildungen.

Organisationsformen der geschlechtersensiblen Leseförderung
Im Rahmen des Teilprojektes 1 veränderte sich in den beteiligten Grundschulen durch Qualifizierung der Lehrkräfte in den oben beschriebenen Fortbildungen der Unterricht. So kam es zunehmend zu:
  • einer inhaltlichen Differenzierung nach Interesse an bestimmten Lesestoffen und besonderen Inhalten (z. B. bei der Literaturauswahl, bei der Textproduktion, bei der Filmherstellung)
  • einer methodischen Differenzierung (Jungen sprechen auf bestimmte Methoden und literarische Verfahren anders an als Mädchen, z. B. bei der Behandlung von Märchen, Mythen, den „Klassikern“ der Welt- und Kinderliteratur)
  • einem phasenweise monoedukativen Unterricht (z. B. im wöchentlichen Rhythmus Leseunterricht für reine Jungen- bzw. Mädchengruppen, mehrtägige geschlechtshomogene Projekte zur Aneignung von Literatur durch die Erstellung von Filmen oder Hörspielen)
  • einer Einbeziehung von Vertretern des außerunterrichtlichen Bereiches (z. B. Väter oder Großväter lesen vor, Schulkino Dresden gestaltet Workshops mit Kindern und Lehrern zu Filmanalyse und Filmproduktion unter der Genderperspektive).

Wir veröffentlichen nachfolgend Auszüge aus dem Abschlussbericht des Sächsischen Bildungsinstituts „Erprobung von Gender-Mainstreaming-Strategien an sächsischen Schulen“, in denen ausgewählte Ergebnisse aus dem Teilprojekt 1 zum Schwerpunkt „Geschlechtersensible Leseförderung“ dargestellt werden.

Ergebnisse zum Schwerpunkt Geschlechtersensible Leseförderung
Die im folgenden dargestellten Erkenntnisse zu Resultaten des Teilprojektes 1 wurden gewonnen durch
a) schriftliche Befragungen an den beteiligten Schulen,
b) Interviews mit Lehrerinnen, Referendarinnen, Schulleiterinnen und Schulleitern und
c) die strukturierten Abschlussberichte der teilnehmenden Schulen.

Dabei fällt auf, dass es prinzipiell sehr schwierig ist, generalisierende Aussagen über Veränderungen zu treffen, die für alle Schülerinnen und Schüler an den beteiligten Schulen gültig sind. Oftmals finden sich Hinweise auf Veränderungen in der Lesemotivation und dem Leseverhalten erst auf Schul- oder Klassenstufenebene. Es ist deshalb erforderlich, die vorliegenden Daten auch weiterhin und unter ggf. derzeit noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkten zu analysieren, um hilfreiche Antworten auf Fragen wirksamer Leseförderung zu finden.

Quantitativ gewonnene Daten – Ergebnisse der schriftlichen Befragungen
Auf der Grundlage von drei schriftlichen Befragungen von jeweils ca. 750 Schülerinnen und Schülern wurden konkrete Aussagen zum Stellenwert des Lesens, der Mediennutzung und anderer Beschäftigungen in Schule und Freizeit erhoben. Parallel zu diesen Erhebungen in den Jahren 2008, 2009, 2010 bei den Kindern wurden Lehrerinnen und Lehrer befragt, die die jeweiligen Klassen im Fach Deutsch unterrichten. Der wissenschaftliche Abschlussbericht der Universität Erfurt fasst die dabei gewonnenen Daten zusammen. Die folgenden Ausführungen basieren auf diesem Bericht.

Lesen in der Freizeit: Lesen ist und bleibt zweitliebste Freizeitbeschäftigung – wenn man die Durchschnittsangaben aller Kinder der 2. bis 4. Klassen betrachtet.

Lesen nimmt in der Hierarchie der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen bei allen Kindern nach sportlichen Betätigungen den zweiten Platz ein. Dies ist vor allem auf die Präferenz der Mädchen zurückzuführen. Betrachtet man die Jungen allein, stehen vor dem Lesen (Platz 4) zunächst sportliche Betätigungen (Platz 1), die Beschäftigung mit PC/Telespielkonsole (Platz 2) und mit Baukästen/Kartenspielen (Platz 3). Vergleicht man die sächsischen Zahlen mit den Daten der Erfurter Erhebung von 2001, so fällt eine generelle Zunahme der Beliebtheit von Computern und Spielekonsolen in den letzten 10 Jahren sowohl bei Jungen, als auch bei Mädchen auf. Dies geht aber nicht zu Lasten des Lesens, das in der Platzierung seit 20011 unverändert weit vorn bleibt. Eher scheinen PC und Spielekonsolen die Bedeutung des Fernsehens zu verringern (Fernsehen: damals Platz 3 bei Jungen, Platz 4 bei Mädchen; heute Plätze 5 bzw. 6).2

Literaturangebote und -vorlieben: Literaturangebot in der Schule und Literaturvorlieben der Kinder klaffen zu Projektbeginn weit auseinander.

Sowohl Jungen als auch Mädchen geben an, am liebsten spannende Abenteuerliteratur zu lesen. Beispiele für Titel, die Jungen und Mädchen gleichermaßen mögen und am häufigsten nennen, sind „Harry Potter“, „Gregs Tagebuch“, „Das magische Baumhaus“. Am wenigsten gern lesen sowohl Jungen als auch Mädchen realistische Literatur. Mit großem Abstand taucht diese Textsorte auf dem letzten Platz von insgesamt sechs Kategorien auf (Abenteuer, Sachbuch, Tierbuch, Märchen, Fernsehbegleitliteratur, Realistische Literatur). Gleichzeitig ist den Ersterhebungsfragebögen der in den jeweiligen Klassen unterrichtenden Lehrerinnen zu entnehmen, dass sie Bücher, die genau dieser Sorte zuzuordnen sind, besonders häufig im Unterricht behandeln. Diese Erkenntnisse bieten bereits wichtige Anknüpfungspunkte für einen lesemotivationsförderlichen Unterricht. Sie belegen zum einen, dass es durchaus eine Fülle geeigneter Literatur gibt, die Jungen und Mädchen gleichermaßen begeistern. Zum anderen wird dadurch deutlich, dass es weitaus besser gelingen muss, die Literaturauswahl für den Unterricht mit den Präferenzen der Jungen und Mädchen zu vereinbaren. Im Laufe des Projektes fühlen sich Lehrer diesbezüglich zunehmend besser in der Lage. U. a. führen sie eigene schulinterne Erhebungen zur Lieblingslektüre ihrer Schülerinnen und Schüler durch und berücksichtigen diese im Unterricht.3

Spaß am Deutschunterricht, der „Leseknick“, Begeisterung für das Buch Lesen vs. andere Medien: Der von den Jungen und Mädchen empfundene „Spaß am Deutschunterricht“ verändert sich während des Projektzeitraums im Gesamtdurchschnitt nur wenig. Der „Leseknick“4 lässt sich jedoch abmildern, teils sogar umkehren. Die Beliebtheit des Lesens gegenüber dem Fernsehen und dem Spielen mit Telespielkonsolen steigerte sich an einigen Schulen deutlich.

Die Vermutung, dass sich das intensive Engagement der Lehrerinnen bei der Entwicklung der Lesemotivation ihrer Schülerinnen und Schüler auch dadurch zeigen könnte, dass die Kinder angeben, sie hätten jetzt mehr „Spaß am Deutschunterricht“, bestätigt sich lediglich bei einzelnen Teilgruppen (Jungen der Schulen 03 und 04, Mädchen der Schule 01). Um diesen Sachverhalt zu verstehen, der sich bereits durch die Zwischenbefragung 2009 abzeichnete, wurden nach der Abschlussbefragung 2010 einzelne Gespräche mit den Kindern geführt. Dabei zeichnete sich folgendes ab:

„Die Schüler betrachten – wie es scheint – die Projekte, die die Lehrpersonen nach den Fortbildungen und den Vorbereitungen in den Teams engagiert und ideenreich in ihrem Unterricht umsetzten, nicht als Teil des Deutschunterrichts, sondern als eine besondere Form der Begegnung mit Literatur – sozusagen außerhalb des eigentlichen Unterrichtsfaches. Wir meinen, dass diese Beobachtung nicht nur bei der institutionellen Auswertung des dreijährigen Projektes eine Rolle spielen sollte, sondern auch ein Nachdenken evozieren müsste: Warum gelangen die Kinder zu einer derartigen Einschätzung?“ (Prof. Dr. Karin Richter im Abschlussbericht der Universität Erfurt, S. 40)

Gleichwohl lassen sich positive Veränderungen in den Einstellungen gegenüber dem Buch und dem Lesen bei Jungen und Mädchen an weiteren, einzelnen Indikatoren erkennen. Zeigte sich bspw. bei den Jungen der „Leseknick“ bei der Erfurter Studie vor 10 Jahren durch einen drastischen, scheinbar unaufhaltsamen Rückgang des „Spaßes am Deutschunterricht“ mit zunehmendem Alter (Klasse 2: 52 %, Klasse 3: 38 %, Klasse 4: 29 %), so kehrt sich diese Entwicklung an den Projektschulen sogar um. Zwar ist zunächst zwischen Klasse 2 und Klasse 3 ebenfalls ein Rückgang des Anteils der am Deutschunterricht Spaß habenden Jungen zu verzeichnen. In Klasse 4 jedoch nimmt dieser Teil nicht noch weiter ab, sondern im Gegenteil wieder zu und liegt deutlich über dem Wert von 2001 (35 % der Jungen geben an, „Spaß am Deutschunterricht“ zu haben.) Auch die Mädchen scheinen von den verstärkten Bemühungen ihrer Lehrerinnen und Lehrer zu profitieren. Während im Jahr 2001 der Anteil unter den Schülerinnen, der angab, „Spaß am Deutschunterricht“ zu haben, im Verlaufe eines Schuljahres um fast 20 Prozent einbrach (Klasse 2: 67 %, Klasse 3: 48 %), betrug der Rückgang an den Projektschulen nicht einmal „nur“ 10 Prozent (Klasse 2: 68 %, Klasse 3: 58,5 %).5

Einen weiteren Anlass zu der Annahme, dass die Aktivitäten um eine Verbesserung der Lesemotivation bei Jungen und Mädchen tatsächlich Wirkungen zeigen, lieferten die Antworten, die die Kinder zur persönlichen Bedeutung von Lesen, Fernsehen und Computerspielen abgaben. Sie hatten sich zwischen jeweils zwei Medien zu entscheiden: „Frage 27: Stell dir einmal vor, Du müsstest zwischen Lesen und Fernsehen wählen – vielleicht für die ganze kommende Woche – wofür würdest du dich entscheiden?“ (Frage 28 analog: zwischen Lesen einerseits und Spielen an Computer/Telespielkonsole andererseits).

Hier kommt es bei vier der sechs Schulen zu einem spürbaren Anstieg des Anteils an Kindern, die dem Lesen den Vorrang vor Spielkonsole geben. Besonders beeindruckend sind unter diesen genannten vier Schulen die Schulen 05 und 06. Bei Schule 05 kann lt. wissenschaftlicher Begleitung „geradezu von einem Qualitätssprung gesprochen werden“; der im Jahre 2009 unter allen teilnehmenden Schulen niedrigste Wert für das Lesen (26 %) verdoppelt sich fast im Jahr 2010 (46 %). Die Steigerung in Schule 06 (lieber lesen als Computerspiel: 2009: 43 %, 2010: 56 %) verweist nach Auffassung der Wissenschaftler der Universität Erfurt „auf einen kontinuierlichen Prozess der Veränderung der Einstellung zum Lesen. Dieser Eindruck wird auch durch andere Befunde (zu dieser Schule) gestützt.“6

Nur mit Einschränkungen können die Veränderungen zur Frage der Bevorzugung von Lesen vs. Fernsehen interpretiert werden. Hier scheint es mit Blick auf die Durchschnittswerte zwischen 2001 und 2010 zu einer leichten Abnahme des Leseinteresses (von 61 % auf 55 %) und zu einer Zunahme des Fernsehinteresses (entsprechend von 39 % auf 45 %) zu kommen. Diese Einschätzung muss jedoch relativiert werden, da beide Erhebungszeiträume von zwei weltweit bedeutsamen Ereignissen überlagert wurden; das Jahr 2001 (Jahr der Erfurter Befragung) markiert die Hochphase der Harry-Potter-Veröffentlichungen („Auftrieb“ für das Lesen), während die letzte Befragung 2010 (Jahr der Befragung in Sachsen) genau im Zeitraum der letzten Fußballweltmeisterschaft lag („Auftrieb“ für das Fernsehen). Umso beachtlicher ist, dass es dennoch, d. h. vor dem Hintergrund der Fußball-WM, den Schulen 05 und 06 gelingt, die Wertschätzung des Lesens gegenüber dem Fernsehen innerhalb des Projektzeitraumes signifikant zu steigern (Bevorzugung Lesen: Schule 05: von 36 % auf 46 %, Schule 06: von 58 % auf 64 %). Bei zwei weiteren Schulen (01 und 02) liegt während der Zwischenbefragung 2009 der Anteil derjenigen, die „für die ganze kommende Woche“ lieber lesen als fernsehen würden, mit 69 % deutlich über den Werten aus dem „Harry-Potter-Jahr“ 2001.

Ergebnisbeispiele wie diese zeigen, dass es selbst in der relativ kurzen Projektdauer von drei Jahren möglich ist, den Stellenwert von Büchern gegenüber anderen Medien wie Fernseher und Computer/Spielekonsole zu erhöhen.7

Gern lesen und Gründe fürs Lesen: An der Hälfte der teilnehmenden Schulen bleibt der Anteil der Kinder, die angeben, dass sie „gern lesen“ auf relativ hohem Niveau oder nimmt zu. Der Anteil der Kinder, die angeben, sie würden „nur dann lesen, wenn sie es müssen“, nimmt im Gegenzug kontinuierlich während der Projektlaufzeit ab.

Bei der Entscheidungsfrage, ob sie gern oder nicht gern lesen, kreuzen knapp 87 % aller Mädchen und 76 % aller Jungen an, dass sie gern lesen. Bei einer genaueren Betrachtung der jeweiligen Daten auf Schulebene wird jedoch deutlich, dass sich hinter den Durchschnittswerten völlig unterschiedliche Detailergebnisse verbergen können. So gelingt es den Schulen 01 und 02, ihren schon 2008 relativ hohen Anteil an gern lesenden Kindern leicht zu steigern oder auf hohem Niveau zu halten (gern lesend: Jungen: bis 85 %, Mädchen: bis 95 %), während Schule 03 ein „Ab und Auf“ von Jahr zu Jahr gerade bei den Jungen zu verzeichnen hat (gern lesende Jungen: 2008: 75 %, 2009: 60 %, 2010: 65 %). Bei Schule 04 wiederum ist gar ein Rückgang des Anteils der gern lesenden Kinder zu beobachten. Besonders positiv fällt jedoch erneut die Projektschule 06 auf. Dort steigert sich der Anteil der gern lesenden Jungen ganz kontinuierlich vom anfangs niedrigsten auf den am Ende höchsten Wert (2008: 75 %; 2010: 86 %). Und auch der Anteil der gern lesenden Mädchen nimmt an dieser Schule signifikant zu, vom ebenfalls am Anfang niedrigsten bis zum dritthöchsten Wert. Bei der Schule 06 fällt zudem weiterhin am Ende der Projektlaufzeit eine fast absolut paritätische Zustimmung zum Lesen von Jungen und Mädchen auf. Dies ist in keiner weiteren Schule der Fall. Während an allen anderen Schulen der Anteil der gern lesenden Jungen stets um 10 bis 18 % kleiner ist als der Anteil der gern lesenden Mädchen, sagen an Schule 06 sowohl 86 % der Jungen, als auch 86 % der Mädchen, dass sie gern lesen.

Als nächster Hinweis auf die Wirksamkeit der im Projekt umgesetzten Maßnahmen kann der Umstand gedeutet werden, dass insbesondere der Anteil der Jungen, die nur dann lesen, wenn sie es müssen, leicht und kontinuierlich abnimmt. Sagten zu Projektbeginn im Jahre 2008 noch ein knappes Drittel aller männlichen Schüler: „Ich lese, weil ich lesen muss.“ (32 %), so waren es 2009 noch 30 % und zum Ende des Projektes 2010 nur noch ein Viertel (25 %). Auch der entsprechende Anteil unter den Mädchen verringerte sich zwischen Projektbeginn und Projektende; von knapp einem Viertel (23 %) im Jahre 2008 auf weniger als ein Fünftel (19 %) im Jahre 2010.8

Vorlesen: Generell wird Kindern heute wesentlich häufiger vorgelesen als noch vor 10 Jahren. Jungen kommen aber durchschnittlich seltener in den Genuss als Mädchen. Dies ist deshalb bedeutsam, weil Kinder, denen vorgelesen wird, mit großer Wahrscheinlichkeit auch selbst gern lesen werden.

Die Zahl der Kinder, denen zu Hause heutzutage „gar nicht“ vorgelesen wird, ist seit 2001 zurückgegangen. Damals sagten das ca. 65 % aller befragten Grundschulkinder, heute liegt der Anteil bei ca. 44 %. Dies lässt auf einen positiven Trend hoffen, der unter Umständen auch durch die – durch PISA- und IGLU-Studie bedingte – aufmerksame Rezeption der Bildungsdebatten in der Öffentlichkeit bedingt ist. Innerhalb der Projektlaufzeit ging zeitweilig an etwa der Hälfte der Schulen der Anteil der Kinder zurück, denen laut eigener Angaben zu Hause „gar nicht“ vorgelesen wird. Möglicherweise gelang es diesen Schulen besonders gut, die Ziele des Projektes auch den Eltern gegenüber zu kommunizieren und sie in ihre Bestrebungen einzubinden.

Im Geschlechtervergleich wird sichtbar, dass es deutlich mehr Jungen als Mädchen sind, denen zu Hause nicht vorgelesen wird. Dies kann ein Problem insofern darstellen, als dass zwischen „vorgelesen bekommen“ und „selbst gern lesen“ ein enger Zusammenhang besteht.

Der Wunsch nach Vorlesen nimmt an einigen Schulen zwischen 1. und 2. Befragung deutlich zu. Bekannterweise zeigen derartiges Antwortverhalten überwiegend Kinder, die das Vorlesen schon oft und als etwas Positives erlebt haben. (Kinder, die das Erlebnis des „Vorgelesen bekommen“ nicht kennen, vermissen dies auch selten.) Dies kann ebenfalls als ein Hinweis darauf interpretiert werden, dass diese Schulen besonders intensiv den Empfehlungen aus den Fortbildungen gefolgt sind und damit erfolgreiche Leseförderung betreiben.9

Zwischenfazit aus den quantitativen Untersuchungen
Bei der differenzierten Auseinandersetzung mit den Daten aus den Befragungen wird insgesamt deutlich, dass es Schulen – teils in beachtlichem Maße – gelingen kann, die Lesefreude von Jungen und Mädchen zu erhöhen. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass – obwohl alle Schulen mit viel Engagement an den zahlreichen Fortbildungen teilgenommen und die Inhalte im Unterricht umgesetzt haben – die Entwicklung von Schule zu Schule sehr unterschiedlich verläuft. Während es bei den meisten Schulen nachweislich positive Veränderungen in einzelnen Teilbereichen gibt, kommt es bei zwei Schulen sogar zu einer Verbesserung in fast allen Teilbereichen. In besonderem Maße fällt dabei Schule 06 auf. Obwohl in einem sozial eher wenig privilegierten Umfeld liegend gelingt es dieser Schule, die Lesefreude kontinuierlich von Jahr zu Jahr bei Jungen und Mädchen von anfangs teils sehr niedrigen Werten auf am Ende teils sehr hohe Werte zu steigern. Andere Ausgangsvoraussetzungen hat hingegen Schule 01. Diese Schule, gekennzeichnet durch ein sehr positives Umfeld mit starker Unterstützung durch die Eltern, geringer Arbeitslosenquote im Umfeld und schon sehr positiven Ausgangswerten zu Projektbeginn, kann ihre überdurchschnittlich positiven Werte bezüglich der Lesemotivation bei Jungen und Mädchen halten und z. T. noch steigern. Beim Blick auf andere Schulen mit ähnlich positiven Ausgangsvoraussetzungen (Schule 02, Schule 04) wird deutlich, dass dies nicht selbstverständlich ist. Es scheint demnach sinnvoll, insbesondere Schule 06 und 01 hinsichtlich der angewandten Strategien genauer zu analysieren, um daraus weitere Handlungsempfehlungen für die Leseförderungen im Freistaat Sachsen abzuleiten.

Qualitativ gewonnene Daten - Interviews
Um die quantitativen Daten aus den schriftlichen Befragungen besser verstehen, interpretieren und vertiefen zu können, wurden mit einzelnen Teilnehmerinnen des Projektes halboffene, leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Der folgende Film enthält Sequenzen, die bei Interviews mit den beteiligten Wissenschaftlerinnen, Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern entstanden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten dabei von ihren Eindrücken, veränderten Sichtweisen, spürbaren Erfolgen und überwundenen Schwierigkeiten.

Quelle: SÄCHSISCHES BILDUNGSINSTITUT

An verschiedenen Stellen äußern sich die Lehrerinnen und Lehrer darüber hinaus zu Veränderungen, die sie nicht nur bei den Jungen und Mädchen, sondern bei sich selbst oder im Kollegium beobachten. Als besonders interessant wurden dabei immer wieder die Erfahrungen hervorgehoben, die einige Schulen in monoedukativen Unterrichtsphasen sammelten – so z. B. an Schule 01, Schule 04 oder Schule 06, wo kontinuierlich und regelmäßig auch Leseunterricht in geschlechtergetrennten Gruppen stattfand.

Kategorisiert man die Aussagen aller Interviews, so wird deutlich, welche Ergebnisse bzw. Veränderungen im Schulalltag aus Sicht der Lehrkräfte besonders deutlich spürbar und wichtig sind. Dies sind vor allem:
  • Lehrkräfte nehmen die teilweise unterschiedlichen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen bei der Entwicklung der Lesekompetenz wesentlich sensibler oder überhaupt erstmals wahr.
  • Lehrkräfte verfügen über ein größeres didaktisches Repertoire zur geschlechtersensiblen Leseförderung.
  • Lehrkräfte tauschen sich sowohl über eine geeignete Literaturauswahl, als auch über methodische Fragen der Unterrichtsgestaltung spürbar häufiger aus als vor Projektbeginn.
  • Lehrkräfte beobachten bei einer Vielzahl von Jungen und Mädchen eine deutliche Zunahme der Lesefreude. Im Zusammenhang damit berichten sie von verbesserten Leseleistungen bei Jungen und Mädchen. Sie erklären dies meist mit der Umsetzung der in den Fortbildungen erlernten neuen Wege und Verfahren zur Lesemotivationsentwicklung im Unterricht.
  • Die häufig erstmals erprobten Möglichkeiten zeitweiliger Monoedukation im Fachunterricht werden als insgesamt äußerst positiv eingeschätzt; zum einen in Hinblick auf fachliche Aspekte (Lesemotivation, Leseleistung), zum anderen ausdrücklich in Hinblick auf soziale Aspekte (Verbesserung des Klassenklimas, Steigerung der gegenseitigen Wertschätzung von Jungen und Mädchen).
  • Den Schulbibliotheken wird von Lehrern als auch von Schülern eine viel höhere Aufmerksamkeit gewidmet; teils wurden diese im Verlaufe des Projektes erst eingereichtet, teils wurde der Bestand in vorhandenen Bibliotheken unter geschlechtersensibler Sicht erweitert. Dies umfasst sowohl (vermeintlich) spezifische Jungen- bzw. Mädchenliteratur, als auch pädagogische Fachliteratur.
  • Die Arbeit mit Eltern (insbesondere mit Vätern und Großvätern) sowie Außenpartnern (Schulkino Dresden, Landesarbeitsgemeinschaften für Jungen- bzw. Mädchenarbeit) wurde zu einem kontinuierlichen Bestandteil der pädagogischen Arbeit.
Lässt man die Befragten einschätzen, worin sie die Ursachen für die spürbaren Veränderungen sehen, werden sehr oft und mit großer Eindringlichkeit die Fortbildungen genannt, die durch die Wissenschaftlerinnen der Universität Erfurt durchgeführt wurden. Auch die beteiligten Partner des Schulkinos Dresden und der außerschulischen Jungen- und Mädchenarbeit10, die mehrfach an den Schulen gemeinsam mit Lehrkräften und den Kindern arbeiteten, werden als außerordentlich wichtig eingeschätzt.

Wichtig erscheint an dieser Stelle die Beobachtung der Projektleitung, dass tatsächlich eine überraschend große und stetig wachsende Teilnahmebereitschaft bei den Fortbildungen zu verzeichnen war. Insgesamt hatten die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit, an 10 Fortbildungstagen – durchgeführt durch Expertinnen der Universität Erfurt – innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit teilzunehmen. Nutzten diese Möglichkeit zu Projektbeginn gerade einmal 12 Lehrerinnen und Lehrer, waren es schon bei der zweiten Veranstaltung über 40 und während der letzten beiden Tage knapp 80 Teilnehmerinnen. Die meisten Schulen nahmen mit dem kompletten Kollegium teil, einige bezogen ihre Horterzieherinnen mit ein. Dieser Umstand, zudem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Veranstaltungen z. T. in den Ferien oder am Wochenende stattfanden, kann durchaus auch als wichtiges Indiz dafür gewertet werden, dass die Teilnehmer die Fortbildungen als außerordentlich hilfreich für ihre schulische Arbeit ansahen.

Aus den Antworten der Befragten lassen sich folgende Merkmale zusammenfassen, die vermutlich für das Gelingen des Projektes eine besonders wichtige Rolle spielen:
  • Die Fortbildungen bedienten in hohem Maße „echten Bedarf“, d. h. sie lieferten Antworten auf pädagogische und didaktische Fragestellungen und Probleme der täglichen Arbeit der Teilnehmerinnen.
  • Das den Fortbildungen zu Grunde liegende didaktische Material erwies sich als unmittelbar im Unterricht mehrerer Fächer sehr gut einsetzbar.
  • Das in den Fortbildungen Gelernte konnte von den Teilnehmern einerseits „eins zu eins“ im Unterricht umgesetzt werden (hoher Pragmatismus und Praktikabilität), andererseits unmittelbar auf neue Lerngegenstände übertragen werden (anspruchsvoller theoretischer Hintergrund).
  • An den Fortbildungen nahmen stets mehrere Kolleginnen oder Kollegen einer Schule teil; im Unterschied zum oftmals praktizierten Delegieren eines einzelnen Kollegen, der häufig das anschließend erwartete „Multiplizieren“ seiner neuen Erkenntnisse im Kollegium nur wenig effektiv übernehmen kann.
  • Die Schulleitungen aller Schulen nahmen fast immer selbst an den Fortbildungen teil und waren inhaltlich und persönlich in hohem Maße involviert.
  • Die Umsetzung der Fortbildungen als eine Veranstaltungsreihe im Unterschied zu oftmals stattfindenden Einzelveranstaltungen ermöglichte die tiefgründige Auseinandersetzung mit Verfahren der Lesemotivationssteigerung, stetige Reflexion von Erfahrungen und den Aufbau eines herzlich-kollegialen Vertrauensverhältnisses zwischen den Wissenschaftlerinnen der Universität Erfurt und den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern.

In ähnlicher Weise unterstreicht der Abschlussbericht der Universität Erfurt die Besonderheiten der hier praktizierten Fortbildungsreihe als wichtig für das Gelingen der Projektziele.11

Qualitativ gewonnene Daten – Abschlussberichte der Schulen
Als Fazit aus den strukturierten Abschlussberichten kann festgestellt werden:
  • Bei Lehrern ist ein hoher Wissenszuwachs zu Genderfragen zu verzeichnen.
  • Lehrer sind der Meinung, dass die methodische Vielfalt zugenommen hat.
  • Die Fortbildungen waren produktiv für eigenes Handeln.
  • Die Zusammenarbeit unter Fachkollegen und in der Schule insgesamt hat sich verbessert.
  • Die Schulleitungen standen hinter dem Projekt.
  • Bedingungen werden als gut bis sehr gut beschrieben.
  • Schüler fühlen sich ernster genommen.
Resümee aus den Ergebnissen beider Teilprojekte
Jungen und Mädchen brauchen Pädagogen, die einen differenzierten Blick auf die geschlechtsbezogenen Entwicklungsaufgaben, Erwartungen und Zumutungen haben. Sie müssen mit Mädchen und Jungen ins Gespräch kommen, sich Zeit für Beobachtung und Reflexion nehmen und Mädchen und Jungen in die Gestaltung des Schulalltags mit einbeziehen.

„Die Geschlechtergerechtigkeit unseres Schulsystems muss sich an der Sicherung gleicher Lebenschancen für Frauen und Männer messen lassen. Bildung muss junge Frauen wie junge Männer zu komplexen und flexiblen Mustern der Lebensbewältigung befähigen. Die Instabilität von Lebensformen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Anforderungen an geografische Mobilität, an politische Partizipation und multiethnisches Zusammenleben erfordern Kompetenzen im Umgang mit Unsicherheit und mit der Veränderung von Lebensbedingungen von Seiten beider Geschlechter.“12

Sowohl Mädchen als auch Jungen sind durch gesellschaftliche Normen in ihrer Entwicklung eingeengt und Zwängen unterworfen. Darüber hinaus transportieren Massenmedien Idealvorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit und prägen Vorstellungen und Erwartungen von und an Frauen und Männer.

Die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen im Unterricht kann dazu beitragen, Wahrnehmung und Sensibilität für das scheinbar Normale und Selbstverständliche herzustellen, Akzeptanz und Verständnis füreinander zu entwickeln sowie im Lernen voneinander Rollenvorstellungen zu erweitern. Mädchen sollten sich als weiblich und Jungen als männlich verstehen können, ohne dass daraus zugleich Vor- und Nachteile erwachsen.

Geschlechtersensible Arbeit in der Schule lässt sich auf vier Ebenen13 realisieren:
  • auf der Ebene der Unterrichtsinhalte und den ausgewählten Lehr- und Lernmitteln
  • auf der Ebene der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch auf der Ebene der Jungen und Mädchen untereinander
  • auf der Ebene der Organisation des Unterrichts, bspw. durch zeitweiliges Einrichten von geschlechtshomogenen Gruppen
  • auf der Ebene der Institution Schule, die eine geschlechtersensible Pädagogik in ihr Schulprogramm implantiert

Transfer wesentlicher Erkenntnisse auf weitere Schulen sowie in die Lehreraus- und -fortbildung
Der Anlass zur Erarbeitung von Vorschlägen zum Transfer der bisher vorgestellten Projektergebnisse und -vorgehensweisen ergibt sich bereits aus dem Konzept, das dem Projekt insgesamt zugrunde lag. Darin ist u. a. das Ziel formuliert, bereits während der Projektlaufzeit Vorschläge zu entwickeln, um Methoden, Inhalte und Strategien, die sich an den Projektschulen als erfolgreich erwiesen haben, auch anderen Schulen zur Verfügung zu stellen.

Transfer der Ergebnisse aus Teilprojekt 1
Im Folgenden werden kurz die wesentlichen Eckdaten zum geplanten und in Teilen bereits erfolgreich erprobten Transfer aus dem Teilprojekt an Grundschulen vorgestellt. Die exakte Beschreibung liefert ein eigens erarbeitetes Transferkonzept. Es bezieht sich vorerst ausschließlich auf den Schwerpunkt der Lesemotivation aus Teilprojekt 1 und wurde im Oktober 2010 dem SMK vorgelegt.

Organisatorische Umsetzung
Zunächst führen sogenannte Tandems, bestehend aus je einer Wissenschaftlerin der Universität Erfurt und einer Lehrerin einer Projektschule, eine Fortbildung für Kollegen von Schulen durch, die bisher nicht im Projekt involviert waren. Dabei werden alle allgemeinbildenden Schularten über geeignete Informationswege angesprochen (Sprengelberatungen der Sächsischen Bildungsagentur, Fachberaterkonferenzen etc. pp.). Daran anschließend planen diejenigen Schulen, die an einer Vertiefung der Thematik interessiert sind, mit den Tandems die Organisation weiterer Fortbildungsveranstaltungen für eine größere Gruppe von Lehrern an ihrer Schule (SchiLF). Dabei wird angestrebt, dass diese weiteren Veranstaltungen von den Projektlehrern allein durchgeführt werden. Bei den dafür erforderlichen Absprachen und der Organisation unterstützen die zuständigen Referenten des SBI die Schulen.

Erste Erfahrungen
Entsprechend dem Projektkonzept von 2006 wurden bereits gegen Ende der Projektlaufzeit (ab Schuljahr 2009/2010) erste Veranstaltungen mit den oben beschriebenen Transfertandems geplant bzw. erfolgreich durchgeführt. Dazu zählen beispielsweise:
  • Workshops im Rahmen des Gender-Symposions für alle Schularten (Januar 2010)
  • Workshops für eine Dresdner Grundschule (August 2010)
  • Workshops in Kooperation mit der Stiftung Lesen für Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien je in Dresden, Chemnitz, Leipzig (September bis November 2010)
  • Workshops für drei Chemnitzer Grundschulen (April 2011)
  • Workshopreihe für ca. 100 Grundschulen, Mittelschulen, Gymnasien und Förderschulen im Raum Zwickau/Plauen (November 2011 bis März 2012)

Erste KinderLeseUniversität im März 2011 in Dresden
Von besonderer Bedeutung erscheinen zudem die positiven Erfahrungen, die im Rahmen der Beteiligung an der Ersten KinderLeseUniversität im März 2011 in Dresden gesammelt wurden. Etwa 480 Kinder aus 2. bis 5. Klassen von Schulen aus Dresden und Umgebung besuchten während dieser Zeit Vorlesungen über „Märchen“ und „Griechische Mythen“ und nahmen an Seminaren teil, die ausschließlich durch Lehramtsstudierende der Technischen Universität Dresden durchgeführt wurden. Bei der Vorbereitung dieser Seminare übernahmen mehrere in Teilprojekt 1 involvierte Lehrerinnen in enger Kooperation mit den Erfurter Wissenschaftlerinnen eine aktive Rolle. Sie brachten ihre Erfahrungen zur geschlechtersensiblen Leseförderung in die Workshops ein, in denen die Studenten die KinderLeseUniversität planten. Darüber hinaus luden die ehemaligen „Lese-Projekt-Lehrerinnen“ die Studenten in ihre Schulen ein, damit diese ihre für die KinderLeseUniversität entworfenen Seminare vorab im Unterricht erproben konnten. Das Fazit aller Beteiligten war einhellig: diese Kooperation stellte eine sehr gute Möglichkeit dar, Ergebnisse von Schulversuchen bzw. Schulprojekten in die Lehrerausbildung zu transferieren.

Autoren: Thomas Brenner, Dr. Marina Kallbach, Sibylle Mackenroth


Kontakt:
Thomas Brenner (Leitung Teilprojekt 1)
SÄCHSISCHES BILDUNGSINSTITUT
Referat 21, Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
Dresdner Straße 78c
01445 Radebeul
Tel.: (0 351) 8324-494
E-Mail: Thomas.Brenner@sbi.smk.sachsen.de
Internet: www.sachsen.de

Anmerkungen:
1 Angaben aus dem Jahre 2001 beziehen sich stets auf die Erfurter Lesestudie. Bei dieser Vollerhebung wurden mittels der gleichen Befragungsinstrumente wie im hier beschriebenen sächsischen Projekt alle Grundschulkinder, deren Eltern und Lehrerinnen sämtlicher Erfurter Grundschulen befragt. Die Erfurter Lesestudie bietet damit einen guten Referenzrahmen für die sächsischen Erhebungen.
2 vgl. Abschlussbericht der Universität Erfurt zum Teilprojekt 1/Schwerpunkt Lesemotivation, S. 36 f.
3 ebd., S. 27 ff.
4 Als „Leseknick“ wird in diesem Text das aus der Erfurter Studie ersichtliche Phänomen bezeichnet, dass im Jahr 2001 Schüler der dritten Klasse am Deutschunterricht deutlich weniger Freude hatten als Zweitklässler: während in Klasse 2 sehr viele Kinder angeben, ihnen mache der Deutschunterricht Spaß, ist deren Anteil in Klasse 3 noch drastisch geringer und in Klasse 4 noch etwas niedriger.
5 vgl. Abschlussbericht der Universität Erfurt zum Teilprojekt 1/Schwerpunkt Lesemotivation, S. 39 f.
6 ebd., S. 17
7 ebd., S. 15 ff.
8 ebd., S. 24 ff.
9 ebd., S. 22 ff.
10 Hierzu zählen vor allem die in Sachsen aktiven Vereine und Organisationen für geschlechtergerechte Jugendarbeit. Dies sind z. B. Männernetzwerk Dresden e. V., Lemann e. V. (Leipzig), MonaLiesa e. V. (Leipzig), Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen und junge Frauen e. V.
11 vgl. Abschlussbericht der Universität Erfurt zum Teilprojekt 1/Schwerpunkt Lesemotivation, S. 3 f., S. 50 f.
12 Cornelißen, Waltraud: Bildung und Geschlechterordnung in Deutschland. Einige Anmerkungen zur Debatte um die Benachteiligung von Jungen in der Schule, Kurzfassung – erstellt im Auftrag des BMFSFJ – Materialien zur Gleichstellungspolitik Nr. 65/2002, http://sinus-transfer.uni-bayreuth.de/fileadmin/MaterialienBT/Cornelissen_Geschlechterordnung.pdf
13 vgl. Unterrichtsprinzip: Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern, Informationen und Anregungen zur Umsetzung ab der 5. Schulstufe, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011

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